Fettfreie Konzentrationsübungen

■ Beim Japan New Music Festival formieren drei Noisemusiker mit Ruins, Zubi Zuva, Akaten und Tsuyama Atsushi stattliche vier Projekte

Zu den positiven Errungenschaften dieses Jahrzehnts elektronischer Beschleunigung gehört die weitgehende Auflösung einer identitätsstiftenden Zugehörigkeit des Musikers zu seiner Band oder seiner Musik. Rocker machen Drum'n'Bass, Metaller HipHop, alle haben zwei Nebenprojekte und drei Künstlernamen. In der Schnittmenge zwischen Jazz und Avantgarde kann über solche Befreiungsschläge natürlich nur müde gelächelt werden, ist doch diesem Kreis der stete Austausch von Anbeginn eingeschrieben.

Einer, der dabei seine ganz eigene Szene ins Leben gerufen hat, ist Yoshida Tatsuya, ein gefährlicher Mann aus Osaka. Seine Waffe ist das Schlagzeug, das kaum jemand auf der Welt besser verprügelt als er. Geschwindigkeit, Präzision und Virtuosität sind dem vielarmigen Musiker untertan. Das zeigt sich besonders, wenn er mit den noch nicht beanspruchten Muskeln zusätzlich Sampler und Gesang bedient. Dabei wird wieder mal das mathematische Wunder vollbracht, aus drei Musikern vier Projekte zu formen, von denen wiederum drei von Yoshida dominiert werden. Doch anders als damals stehen statt übersteuerter Rock-Katharsis nun differenzierte Klänge im Vordergrund: Töne statt Wände.

Das Bindeglied und gleichzeitig der offizielle Höhepunkt des Abends sind dabei die Ruins, Yoshidas Stammduo und ein fester Name auf der Landkarte der globalen Avantgarde, durch den seit Jahren die tatsächlichen Möglichkeiten von Drum'n'Bass demonstriert werden. Nachdem alle Beteiligten schließlich ihre wirren Soloausflüge absolviert haben, findet die gesamte Reisegruppe unter dem Namen Zubi Zuva als Vokaltrio zueinander und reitet auf ihren Stimmbändern durch die Musikgeschichte. Ausgangsmaterial sind dabei Choräle, Doo-Wop und Easy Tunes, aus denen aufgrund stimmlicher Unzulänglichkeiten, grotesker Überzeichnung oder einfach wilder, in die Strukturen hineinbrechender Schreie Hysterie und Hardcore entstehen.

Damit diese ferne und furchterregende Welt etwas Bodenhaftung bekommt, hat sich Hamburgs einzig legitime Japan-Noise-Außenstelle Helgoland bereitgefunden, den Abend mit fettfreien Konzentrationsübungen zu eröffnen. Zusammen mag dies des Guten zuviel erscheinen. Doch dieser Vorrat an verdichtetem Freigeist muß wieder ein Jahr vorhalten. Holger in't Veld

Mo, 3. November, 21 Uhr, MarX