Wischers Arbeitsplan stößt auf Kritik

■ „Druck auf Sozialhilfeempfänger unnötig“/ „Etat aufstocken“

Reserviert bis kritisch reagieren Sozial-Experten aus der Praxis auf das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“, das Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) gestern vorstellte. Danach soll jeder Sozialhilfeempfänger unter 27 Jahre zunächst sechs Monate für zwei Mark pro Stunde Prämienarbeit leisten und nach einem Jahr einen BSHG-19-Platz bei der Werkstatt Bremen zugewiesen bekommen. Wer die Arbeit ablehnt, soll weniger Sozialhilfe bekommen.

Dieser Druck sei unnötig, kritisierte gestern Martin Lühr von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsloser BürgerInnen (AGAB). Mit der angedrohten Kürzung würden nur „Leute getroffen, die ihre Sachen nicht gebacken kriegen“und echte Probleme hätten, sagte er. Diesen Menschen würde so die Hilfe gekürzt.

Bei der Werkstatt Bremen, einem Eigenbetrieb der Sozialbehörde, wissen die Mitarbeiter offiziell noch nichts von Wischers Plänen. Dabei soll die Werkstatt statt bisher 1.000 mittelfristig 2.000 BSHG-19-Stellen in „zusätzlichen und gemeinnützigen Bereich“bei Beschäftigungsträgern anbieten sowie in Altenpflege, Grünanlagen oder in Bürgerhäusern. „Ich sehe nicht, wo 1.000 zusätzliche Stellen in der Stadt herkommen sollen“, sagt ein Werkstatt-Mitarbeiter.

In jedem Fall müsse der Werkstatt-Etat von 40 Millionen Mark im Jahr bei doppelt soviel versorgten Menschen auch verdoppelt werden. Wischer plant jedoch, das Programm mit Einsparungen aus dem Sozialhilfe-Haushalt zu finanzieren. „Wenn wir 300 neue Leute unter 27 Jahren unterbringen müssen, die für 10 Mark am Tag Prämienarbeit machen, ginge das von den regulären BSHG-19-Stellen ab“, rechnet ein Mitarbeiter. „Andere fallen hinten runter“.

In der Werkstatt fürchtet man um die Qualität der Arbeit, wenn jungen Sozialhilfeempfängern nur „primitives Müllaufsammeln“angeboten werde. Bisher habe man sich um Tätigkeiten im Recycling oder Baubereich bemüht und auch individuelle Arbeitsplätze für arbeitslose Akademiker vermittelt.

Die Bremer Grünen teilen die Kritik: „Junge Menschen brauchen eine qualifizierte Ausbildung und keine Beschäftigungsprogramme auf möglichst niedrigem Lohnniveau“, sagte die Bürgerschaftsabgeordnete Karoline Linnert. BSHG-19 Stellen seien begehrt, es sei „populistischer Unsinn“, in diesem Zusammenhang über Zwangsmaßnahmen nachzudenken. Die CDU stimmt Wischers Initiative als „Schritt in die richtige Richtung“grundsätzlich zu. jof