Vier Frauen hoffen auf den Robinson-Effekt

■ Heute entscheiden die Iren über die Nachfolge ihrer bisherigen Präsidentin Mary Robinson

Dublin (taz) – Irland bekommt heute eine neue Präsidentin. Nachdem Mary Robinson im September vorzeitig zurückgetreten ist, um ihren neuen Job als Uno-Hochkommisarin für Menschenrechte in Genf anzutreten, ist das Amt vakant. Ihre Nachfolgerin wird es schwer haben, denn Robinson war das beliebteste Staatsoberhaupt der Welt: 94 Prozent der Bevölkerung waren mit ihr zufrieden.

Vier Frauen wollen nun den Robinson-Effekt ausnutzen und in die Präsidentinnenvilla Aras an Uachtaráin im Dubliner Phoenix Park einziehen. Favoritin ist Mary McAleese (44), wie Robinson Rechtsprofessorin an der Belfaster Queen's University. Bei den Umfragen liegt sie mit 32 Prozent deutlich vorne. In Moralfragen ist sie auf Papst-Linie, mit Ausnahme beim Thema Homosexualität: Die hält sie für zulässig. McAleese ist von der Regierungskoalition überraschend nominiert worden. Eigentlich hatte man damit gerechnet, daß der ehemalige Premierminister Albert Reynolds, ein Country-Sänger und Hundefutterfabrikant, das Rennen machen würde. Doch seine Partei bekam kalte Füße. Zu viele Skandale hängen über Irlands Politikern, fast täglich kommen neue Enthüllungen hinzu. Alle großen Parteien sind in Bestechungsaffären verwickelt.

So gingen auch die anderen Parteien auf Nummer Sicher und nominierten Kandidatinnen, die vom Dubliner Parlament möglichst weit entfernt sind. Die rechte Fine Gael („Stamm der Gälen“), die größte Oppositionspartei, stellte die 58jährige Europa-Abgeordnete Mary Banotti auf. Sie ist eine Großnichte von Michael Collins, dem legendären IRA-Organisator im Unabhängigkeitskrieg Anfang der zwanziger Jahre. Da Fine Gael jedoch eher unionistisch ausgerichtet ist, wird ihr die berühmte Verwandtschaft nicht allzu viele Stimmen einbringen. Laut Umfragen bekommt sie 24 Prozent.

Labour Party und Democratic Left einigten sich auf Adi Roche. Die 42jährige Atomkraftgegnerin hat keine Erfahrungen in der großen Politik, sie ist die Gründerin des Hilfsprojekts für verstrahlte Kinder aus Tschernobyl. Roche hofft besonders auf den Robinson- Rückenwind, denn in ihren politischen Ansichten steht sie der abgetretenen Präsidentin am nächsten. Und die Dubliner Popgruppe U2 hat zu ihrer Wahl aufgerufen.

Dann ist da noch Rosemary Scallon (44), die unter ihrem Bühnennamen Dana vor 27 Jahren den Eurovisions-Schlagerwettbewerb gewann. Sie ist von keiner Partei nominiert worden, sondern von vier Bezirksverwaltungen. Bei ihren Vorstellungsgesprächen mußte sie stets ihren Siegersong von 1970, ,All Kinds Of Everything‘, vorsingen. Ihr Programm ist ihr von der katholischen Kirche diktiert worden: Sie ist gegen Abtreibung, Ehescheidung und Empfängnisverhütung. Vor 20 Jahren hätte sie damit noch gute Aussichten gehabt, doch inzwischen wird sie die irische Uhr nicht mehr zurückdrehen können.

Zu sehr hat sich die Grüne Insel seitdem verändert. Aus dem ehemaligen Armenhaus ist ein Wirtschaftswunderland geworden, die Zahl der Kirchenbesuche ist um ein Drittel zurückgegangen. Und die Erfolgsmeldungen von der Modernisierung auf der britischen Nachbarinsel gehen auch an Irland nicht spurlos vorüber. Nur sieben Prozent wollen Dana wählen.

In letzter Sekunde setzte auch noch ein Mann seinen Namen auf die Kandidatenliste: Derek Nally (60) hat sich durch seine Arbeit für Verbrechensopfer einen Namen gemacht. Sein Geld verdient der ehemalige Polizist mit seinen Sicherheitsfirmen. Eine Chance auf das Präsidentenamt hat er nicht, aber durch seine Kandidatur dürfte er auch Adi Roches Chancen dezimiert haben. Seine Wähler, nach letzten Umfragen rund sieben Prozent, sind vor allem aus Roches Lager umgeschwenkt. Da wird ihr auch die Diana-Frisur nichts nützen, die sie sich rechtzeitig zur Wahl verpassen ließ.

Der Wahlkampf wurde mit teilweise dubiosen Mitteln geführt. Ein Wahlhelfer von Roche lancierte ein internes Dokument des Außenministeriums, wonach sich McAleese über die beachtlichen Wahlerfolge von Sinn Féin, dem politischen Flügel der IRA, hocherfreut gezeigt habe. Darüber hinaus setzt sich auch Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams für sie ein, was von Nordirlands Unionisten mißtrauisch beäugt wird.

Dennoch wird McAleese wohl gewinnen. Beim irischen Wahlsystem ist man vor Überraschungen allerdings nie ganz sicher. Die Iren machen nämlich kein Kreuzchen, sondern nummerieren die Kandidatinnen in der Reihenfolge ihrer Präferenz. Die Letzten werden von der Liste gestrichen, ihre Stimmen gehen an die Nummer Zwei. Und vielleicht kann sich Adi Roche ja dadurch ihre Stimmen von Derek Nally zurückholen. Ralf Sotscheck