Das Bäuerchen ist gemacht

Wie meist nach einem Kurssturz zittern die Börsen noch einige Tage nach. Gestern ging es überall bergauf. Kleinanleger sollen aber noch warten, bevor sie einsteigen  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz/rtr) – An den Börsen jagen sich weiter die Rekorde. Nach einem spitzenmäßigen Absturz der Wall Street vorgestern ging es gestern rekordmäßig nach oben – und zwar weltweit. Die Kurse liegen aber immer noch fünf bis zwanzig Prozent unter dem Stand der Vorwoche.

Der Deutsche Aktienindex Dax stieg gestern um 6,3 Prozent auf 3.791,81 Punkte. Am Dienstag war der Dax um acht Prozent nach unten gerauscht. Damit hat Frankfurt wieder einmal die Vorgaben aus New York und Asien nachgeäfft. Die Wall Street legte Dienstag abend mit einem Anstieg um 4,7 Prozent vor. Am Montag war der dortige Dow-Jones-Index um sieben Prozent gefallen.

Punktemäßig waren die Kurse bei ihrem Pendeln über der 7.000er-Marke in der über 100jährigen Geschichte der New Yorker Börse noch nie so stark in die Höhe oder die Tiefe gegangen wie an diesen beiden Tagen. Dabei wechselten sage und schreibe eine Milliarde Aktien den Besitzer – ein Umsatzrekord. Der Hang-Seng- Aktienindex in Hongkong kletterte nach über dreißig Prozent Verlust gestern wieder um ebenfalls rekordverdächtige 18,8 Prozent in die Höhe.

Einige Unternehmen trieben ihre eigenen Kurse hoch, indem sie selbst Aktien kauften. IBM, der größte Computerkonzern der Welt, kündigte zwecks Kurspflege an, für 3,5 Milliarden Dollar eigene Aktien zu kaufen. Ähnliches hatten schon einige chinesische Staatsunternehmen in Hongkong in den letzten Tagen versucht, allerdings mit weniger Erfolg.

Nach Angaben der Börsenhändler in Frankfurt nutzten vor allem Kleinanleger die gefallenen Kurse, um vermeintlich billige Aktien zu kaufen. Da ist jedoch Vorsicht angesagt: Die Großanleger hielten sich noch auffallend zurück. Die Umsätze waren allgemein in Deutschland niedrig.

In den Tagen nach einem Crash schwingen die Kurse häufig hin und her. Es kann also noch mehrmals zu kleineren Einbrüchen kommen. Deshalb auch die Zurückhaltung der großen Tiere. Sie warten ab, bis sich der Markt geglättet hat.

Die Börsenanalysten der niederländischen ABN Amro Bank rieten ebenfalls zur Ruhe. Die Krise an den asiatischen Finanzmärkten sei noch nicht vorbei. In Deutschland hat sich aber durch den Crash nichts zum Negativen verändert. Die US-Wirtschaft und Japan seien wesentlich stärker von den Turbulenzen in Südostasien betroffen als deutsche Firmen.

Wie es in den nächsten Tagen weitergeht, hängt auch von Alan Greenspan ab, dem Chef der US- Zentralbank. Gestern nach Redaktionsschluß wollte er eine Rede vor dem Kongreß in Washington halten. Je nachdem, wie stark der Guru der Finanzhändler die Aktien kritisiert und wie stark er die Gefahr einer Inflation sieht, werden die Börsen reagieren. Bei Börsenbeginn ging Wall Street erst einmal nach oben.

Letzten Dezember hatte Greenspan den Aktienhändlern schon einmal einen Nasenstüber verpaßt. Er warnte vor einer „irrationalen Überschwenglichkeit“ der Anleger, weil die Gewinne der Unternehmen bei weitem nicht mit den Aktienkursen mithalten könnten.

Auch sprach Greenspan von der Gefahr einer zu hohen Inflation, wenn die Wirtschaft der USA weiterhin boomt. Das deuteten die Börsianer als eine Drohung mit höheren Zinsen für Kredite oder Staatsanleihen. Daraufhin waren die Kurse kurz nach unten gerauscht. Dann aber setzte sich der Boom fort, bis er schließlich letzte Woche zum Stillstand kam. Kommentar Seite 12