„In den Brunnen gefallen“

■ Michael Specht, 40, legte sich als Testfahrer der Zeitschrift „Auto Bild“ mit dem neuen Baby-Mercedes der A-Klasse in die Kurve

taz: Der Ruf der A-Klasse ist ja auch dank Ihres Fahrtests ruiniert. Ist das Auto untauglich?

Michael Specht: Man spricht ja schon von einem gemeingefährlichen Auto – von einer Art Lady- Di-Effekt. Das ist aber nicht wahr. Wir sind um Pylonen gefahren, haben einen extremen Test gemacht, um das Auto bewußt in Grenzsituationen zu bringen. So eine Extremsituation ist im normalen Straßenverkehr normalerweise auszuschließen.

Und das Ausweichmanöver beim Elch-Test war auch nur eine Extremsimulation?

Das ist ein lebensnaher Test. Da überlege ich nicht, wieviel auf der Straße bleibt und ob ich das Auto iso- und normgerecht steuern muß. Da reiße ich einfach das Steuer rum. Und da ist die A-Klasse instabiler und neigt zum Kippen. Der Wagen geht durch diese Situation nur sauber durch, wenn er nicht mit fünf Personen und Gepäck beladen ist. Das schaffen andere Kleinwagen aber souveräner. Heute sollte niemand mehr ein Auto verkaufen, das die Tendenz hat umzukippen.

Weil der Baby-Mercedes zehn Zentimeter zu hoch gebaut wurde, verlagert sich sein Schwerpunkt. Wie konnte ein solcher Konstruktionsfehler unbemerkt bleiben?

Mercedes hat ein neues Sicherheitskonzept entwickelt. Motor und Getriebe sind schräg eingebaut. Bei einem Auffahrunfall werden die Aggregate nach unten weggedrückt in einen Sandwichboden. Das bietet eine beispiellose Sicherheit. Aber wegen des doppelten Bodens ist der Wagen eben auch höher.

Im Prinzip ist die A-Klasse also prima, doch für sportliche Fahrer ungeeignet?

Alle Kleinwagen sind im Prinzip nicht unsicher. Sie können auch mit der A-Klasse in jede Kurve, die in Deutschland gebaut ist, schnell reinfahren. Der Wagen wird das wohl schaffen, vielleicht rutscht er gegen die Planke, aber er wird wohl nicht umkippen.

Nun will Mercedes nachrüsten und eine Fahrdynamikregelung einbauen. Reicht das?

Das müßte reichen. Ich verstehe nicht, warum die das nicht schon vorher gemacht haben. Wohl aus Kostengründen? Es ist ein bärenharter Kampf in dieser Klasse zwischen Audi, VW und Mercedes, da konnte man wohl keinen Fahrcomputer einbauen. Die A-Klasse ist ein völlig neues Autokonzept. Da ist ein Verkaufspreis von gut 30.000 schon ein Wunder.

Wer wird den Wagen denn jetzt noch kaufen?

Das Kind A-Klasse ist in den Brunnen gefallen. Das hätte sich ein koreanischer Autobauer leisten können, aber nicht Mercedes. Der Imageverlust ist heute noch nicht absehbar. Interview: Annette Rogalla