Der Hai mit der Technicolor-Kamera

■ Der schönste Tag im Leben Shark Tragers war der, an dem er sein Leben als Film erschaffen hat. „Boy Wonder“- Biographie eines Hollywood-Tycoons

Ein Selbstmord in der Tiefkühltruhe, ein LSD-Kettensägenmassaker und ein Esel im Weißen Haus – der erfundenen Biographie des legendären Wunderkindes und Hollywood-Tycoons Shark Trager fehlt es nicht an groteskem Humor. Boy Wonder, verfaßt vom ehemaligen Drehbuchautor James Robert Baker, führt durch fast 40 Jahre Filmgeschichte.

Wie ein Drehbuch liest sich auch die Handlung. Alternierende Erzählperspektiven mit Schnittcharakter vermitteln den Eindruck einer „gedruckten Dokumentation“. Begonnen in den Fünfzigern – der Zeit der Autokinos, Cadillacs und Capri-Hosen – führt die abgedrehte Story über die versponnenen 68er bis ins Yuppie-Zeitalter. „Shark“heißt Trager eigentlich nur, weil sein Vater bei ihrer ersten gemeinsamen Angeltour einen Hai erwischte.

In die Filmwelt wurde Shark praktisch hineingeboren: nämlich auf dem Rücksitz eines Caddies im Autokino, mitten in die Szene, „wo der Typ das Mädchen erschießt und die Bullen ihn“.

Als er seine erste Kamera bekommt, beginnt für Trager, nach einer Kindheit wie eine „dunkle, bittere Schwarzweißphase“, die „strahlende neue Technicolorzeit“. Mit seinem Spannerfilmchen von Kathy Petro, dem Objekt seiner voyeuristischen Begierde, ist der erste Skandal perfekt. Als er später die UCLA-Filmschule besucht, realisiert Trager sein erstes großes Filmprojekt Pillow Fuck. Eingemietet im ehemaligen Haus von James Dean, den Porsche Speedstar inclusive, feiert er seine ersten filmischen Erfolge. Als Jean-Claude Citroen, das enfant terrible der nouvelle vague, Shark als unfähigen Plagiator beschimpft, ist er am Boden zerstört.

Dauerzugedröhnt praktiziert er jedoch weiterhin obsessiv seinen Kameravoyeurismus. Seine Leidenschaft gilt immer noch Kathy Petro, seiner einzigen großen Liebe. Als zuletzt aber auch der langersehnte Oscar an ihm vorüberzieht, dreht Trager durch. Doch selbst Sharks Abgang ist eine filmreife Selbstinszenierung: Im Kugelhagel der Polizei stirbt Shark „zuckend, als hätte er zehntausend Orgasmen auf einmal“. Und natürlich endet seine Biographie dort, wo er sich selbst gezeugt hat – im Kino.

Boy Wonder erschien in den USA bereits 1988, dem Todesjahr Tragers. Herauslesen läßt sich mit diesem Hinweis die Geschichte des „Boy Wonders“und MGM-Direktors in den 20er und 30er Jahren. Doch auch die Biographie Spielbergs läßt viele Parallelen erkennen. Der Autor schweigt sich diesbezüglich jedoch aus. Maria Brombacher

Heute: Lesung aus Bakers „Boy Wonder“(Rogner & Bernhard bei Zweitausend-eins, Hamburg 1997, 685 Seiten, 39 Mark) um 23 Uhr im Thalia Theater