Nachgefragt
: „Die MigrantInnen werden ignoriert“

■ Ex-Mitglieder der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) fühlen sich nicht mehr vertreten

Erzieher, Sozialpädagogen und Lehrer gründen derzeit in Bremerhaven den Verein „Bildung für eine Welt“. Im „Europäischen Jahr gegen Rassismus“sind die Vereinsgründer ihrer Gewerkschaft, der Gerwerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), abtrünnig geworden, weil sie sich nicht mehr vertreten fühlen. „Die Ausländer“sollen von den Einheimischen nicht mehr als amorphe Masse wahrgenommen werden, die weder Geschichte noch Geschlecht noch eigene Nationalität haben, fordern die Gründungsmitglieder. Der Verein will Migranten dabei helfen, „sich in gesellschaftliche Prozesse einzumischen.“Ferhunde Gürlük ist Lehrerin der Sek 1 an einer Gesamtschule. Sie war 19 Jahre in der GEW, bevor sie frustriert mit einigen Gleichgesinnten austrat. Seit einem halben Jahr wird die Vereinsgründung vorbereitet, Gürlük gehört zu den Gründungsmitgliedern.

taz: Warum fühlen Sie sich in der GEW nicht mehr aufgehoben?

Ferhunde Gürlük: Weil die GEW die Aufgaben im MigrantInnenbereich nicht überzeugend gemacht hat, zum Beispiel bei der Neueinstellung von MigrantInnen-LehrerInnen. Solche Lehrer werden kaum eingestellt. MigrantInnen-LehrerInnen werden vom Status und Bezahlung her außerdem nicht gleichgestellt. Dabei haben wir mehrmals Anträge gestellt, die eben dies forderten. Die Mehrheit in der GEW lehnte unsere Forderungen regelmäßig ab. Der aktuelle Schwerpunkt in der GEW ist die Integration der neuen Bundesländer, nicht der MigrantInnen. Die MigrantInnen werden ignoriert, unsere Interessen nicht vertreten.

Was wollen Sie in Zukunft mit dem neuen Verein erreichen?

Wir wollen hier leben und das für uns erträglicher machen. Wir treten für ein Antidiskriminierungsgesetz ein, wollen eine Regelung für eine Ausländerquote bei Einstellungen. Außerdem sollte eine bilinguale Erziehung für alle ermöglicht werden. Lehrpläne müssen so geändert werden, daß sie der interkulturellen Erziehung dienen. Das heißt auch, daß viele Inhalte in Büchern überprüft und den sozialen Realitäten der Kinder angepasst werden müßten – diese Realität wird ja gar nicht wahrgenommen. Bildung muß sich doch auch anpassen. Außerdem brauchen wir mehr Fort- und Weiterbildung, damit die Lehrer besser auf die Eigenschaften der Schüler reagieren können. In der Lehrbücherkommission sollten auch Migranten-Lehrer vertreten sein, um dies zu verwirklichen.

Was für Menschen sind in Ihrem neuen Verein?

Wir sind ein Bildungs- und Erziehungsverein, in dem ErzieherInnen, SozialpädagogInnen und LehrerInnen von allen Nationalitäten vertreten sind. Voraussetzung für Mitgliedschaft sind demokratisches Denken und Handeln, Bereitschaft, gegen jegliche Diskriminierung zu kämpfen. Wir wollen für Eltern, Lehrer, Studierende, Schüler Ansprechpartner sein und einen Raum bieten, in dem angstfrei und ohne Vorurteile geredet werden kann. Ich lebe ja nicht nur in zwei Kulturen – der kurdischen und der deutschen –, wir kommen mit viel mehr Kulturen in Kontakt. Und dabei kann man doch viel lernen.

Fragen: Christoph Dowe