Geschmackvoll auf Kundenfang

■ Die Standmiete ist höher als in Köln, der Anspruch auch: Heute beginnt die zweite Auflage des „art forum berlin“ mit zeitgenössischer Kunst in den Messehallen am Funkturm

So ist das in Berlin: Nach bescheidenen Anfangserfolgen ist der Anspruch des „art forum berlin“ noch ein bißchen größer geworden. Als vor einem Jahr das „european art forum“ aus einer Initiative einiger bekannter westdeutscher und Berliner Galerien hervorging, sollte damit eine Konkurrenz gegen die ausufernde Art Cologne losgetreten werden.

Der Zeitpunkt war gut gewählt, die Vernissage fiel mit der Eröffnung des Hamburger Bahnhofs zusammen, und überhaupt schien Berlin mit seinen Bauinvestitionen prädestiniert für den Ankauf von zeitgenössischer Kunst. Über 120 Galerien kamen in die Messehallen am Funkturm, zusätzlich wurde eine Off-Messe mit so überaus undergroundigen Galerien wie Eigen + Art oder Pat Hearn aus New York in Mitte organisiert.

In diesem Jahr gibt man sich mit viel Understatement eher weltgewandt: Als Messe möchte man nicht bloß den Handel mit Kunst ankurbeln, sondern den Diskurs gleich mit den großen Ereignissen des Sommers – Venedig-Biennale, documenta, Skulpturen in Münster – verkoppeln.

Während 1996 noch ein Blick auf die Aktivitäten der in Berlin ansässigen Galerien für die Selbstdarstellung genügte, müssen es diesmal schon allerlei komplexe Themen wie „Architektur“, „öffentlicher Raum“, „staatliche Förderungen“ und „Kunst in der Freizeitgesellschaft“ sein, über die diskutieren soll, wer nicht gerade an seinem Messestand auf Sammler wartet.

Dabei lautet die Devise der meisten Galeristen gar nicht „mehr Gruppendynamik“, sondern recht beherzt „mehr verkaufen!“ Das gilt für alle: Immerhin sind bald 60 Prozent der insgesamt 135 beteiligten Galerien aus dem Ausland angereist, die Standmiete ist höher als in Köln und die Konkurrenz der eine Woche später beginnenden Art Cologne stärker zu spüren als vergangenes Jahr. Schon haben Galerien wie Rafael Jablonka oder Gimpel Fils aus London vom Berliner Experimentierfeld Abstand genommen und sich wieder im Kölner Wust von fast 300 Kojen eingenistet.

Tatsächlich könnte das Geschäft in Berlin noch sehr viel magerer ausfallen als vor einem Jahr. Das Rahmenprogramm ist zwar gewaltig, aber ob es potentielle Kunden aus Rheinland, Benelux oder USA anlocken wird? Auch in diesem Jahr gibt es mit der Sigmar- Polke-Retrospektive im Hamburger Bahnhof ein Museumsspektakel, nur war die Ausstellung schon im Sommer in Bonn zu sehen, und das in weit größerem Umfang.

Selbst wenn es stimmt, das „fünfzig internationale Kuratoren“ aus London, Paris und New York die Messe besuchen wollen, wie die Berliner Zeitung in ihrer Beilage schreibt, dann mag sich für den einen Künstler oder die andere Künstlerin daraus eine Ausstellungsbeteilung oder ein kleines Projekt ergeben – auf den Verkauf hat das ganze socializing nur begrenzt positive Auswirkungen.

Am Ende sieht es in den Messehallen am Funkturm denn auch ziemlich brav und aufgeräumt aus. Hübsch gemachte Fotografie findet man an fast jedem Galeriestand, aufwendige Installationen wie etwa Manfred Pernices dysfunktionaler Skulptur-Tresen für die Galerie Neu fehlen.

Als Museumseinrichter in großem Stil ist der Maler/Bildhauer Günther Förg gleich bei elf Galerien vertreten, auf weniger marktgängige Positionen muß man dagegen verzichten – selbst einen Mike Kelley sucht man auf dem „art forum“ vergebens. Statt dessen bekommt man eine von Kathrin Becker und Klara Wallner kuratierte Videosammlung präsentiert, durch die man sich auf poppigen Kissen von Angela Bulloch zappen kann.

Der Betrieb hat sich also weitgehend normalisiert. Das merkt man auch am Rahmenprogramm: Ursprünglich sollten einige KünstlerInnen mit ihren Bands in der Volksbühne auftreten. Doch die Vorabauslagen von fünfzehn mal tausend Mark Kaution für die PA war den angesprochenen Galerien zu hoch. Offenbar hatte man den eigenen KünstlerInnen auf musikalischem Terrain kein Publikum zugetraut. Harald Fricke