■ Kommentar
: Führungslosigkeit als System

Seit zwei Jahren ist abzusehen, daß die Milliarden-Löcher im Haushalt der Stadt mit dem Verkauf von Landesvermögen gestopft werden müssen. Seit einem dreiviertel Jahr tagte eine hochkarätig besetzte Arbeitsgruppe der SPD, um die schwierigen Privatisierungsentscheidungen vorzubereiten. Doch eine klare Linie fehlt, auch nachdem der Landesvorstand die Ergebnisse der Arbeitsgruppe in einen Antrag für den Parteitag verwandelte. Den Delegierten am 15. November legt die Parteispitze bei der Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaften und der Wasserbetriebe mehrere Varianten vor. Wie beim Multiple-choice-Test haben die Delegierten nun die Wahl.

Nun ist bei der SPD keineswegs die Basisdemokratie grüner Machart ausgebrochen. Die Vorlage verschiedener Varianten ist vielmehr die auf die Spitze getriebene Führungslosigkeit in der SPD. In der Frage des Verkaufs ganzer Wohnungsbaugesellschaften ergab sich im Landesvorstand ein Patt. Doch nicht einmal bei den Modellen für die Zukunft der Wasserbetriebe traute man sich, eine Grundsatzentscheidung zu treffen. Anstatt sich dazu durchzuringen, dem Parteitag die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe vorzuschlagen, bleibt das vom Personalrat der Wasserbetriebe favorisierte Modell der Konzessionsabgabe auf der Tagesordnung. Dieses Modell beläßt alles beim alten. Zu befürchten ist aber, daß die zusätzliche Abgabe durch einen höheren Wasserpreis reingeholt wird.

An Sachverstand hat es der Arbeitsgruppe nicht gemangelt, auch die Parteiführung in Gestalt von Fraktionschef Klaus Böger als auch Parteichef Detlef Dzembritzki war vertreten. Angesichts des mageren Ergebnisses hat es sich rückblickend wahrlich nicht gelohnt, den Parteitag im August abzubrechen. Zwei Monate später ist die SPD keinen Schritt weiter. Dorothee Winden

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