Kein Durchbruch für den Schutz der Kinder

Internationale Konferenz einigt sich auf Aktionsprogramm gegen Kinderarbeit. Experten gestehen Ohnmacht gegenüber der Praxis ein, solange sich an den ökonomischen Ursachen der Kinderarbeit nichts ändert  ■ Aus Oslo Reinhard Wolff

Mit der Verabschiedung eines Handlungsplans zum Verbot jeglicher Kinderarbeit ging gestern die zu diesem Thema veranstaltete Konferenz in der norwegischen Hauptstadt Oslo zu Ende. Alle Kinder unter 14 Jahren sollen danach grundsätzlich nicht mehr arbeiten.

Um die Einhaltung dieser Regelung sicherzustellen, sollen vor allem die Anstrengungen verstärkt werden, die gesetzlichen und finanziellen Voraussetzungen für die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht auch in allen Dritte- Welt-Ländern zu schaffen. Gleichzeitig soll versucht werden, mehr ethisches Verbraucherbewußtsein in den Ländern der industrialisierten Welt zu fördern. Die Frage nach den Herstellungsbedingungen eines Produktes soll so beispielsweise zum selbstverständlichen Bestandteil jedes Verkaufsgesprächs werden.

Aufforderungen zu Boykottaktionen sollen demgegenüber nur noch extremen Formen von Kinderarbeit wie regelrechter Kindersklaverei vorbehalten sein, um dieses Instrument nicht stumpf werden zu lassen. Eine Boykottdrohung könnte beispielsweise gegenüber einem Produzenten angebracht sein, der Arbeitsbedingungen selbst dann nicht ändern will, wenn nachgewiesen und öffentlich gemacht ist, daß sie menschenrechtswidrig sind.

Importeure von Waren aus Ländern mit verbreiteter Kinderarbeit werden aufgefordert, grundsätzlich Garantien für die Arbeitsbedingungen zu verlangen. Unwirksam bleibt die Boykottwaffe allerdings ausgerechnet bei besonders extremen Fällen von Kindersklaverei, wie beispielsweise deren Einsatz als Straßenarbeiter in Birma. Hier haben bislang weder Appelle noch Drohungen etwas ändern können. Und auch in Oslo wußte man angesichts solcher unwilliger Regierungen nicht so recht weiter.

Hat die Konferenz das Thema Kinderarbeit mal wieder ins öffentliche Bewußtsein gerufen, so erscheint eher fraglich, ob sich Oslo im Rückblick tatsächlich einmal als der erhoffte Wendepunkt vom Reden zum Handeln darstellen wird. Die Staaten, die sich hier verpflichten, etwas zu unternehmen, haben zum größten Teil schon jetzt ein Kinderarbeitsverbot gesetzlich verankert. „Fast alle asiatischen Länder haben das“, so stellte Unicef-Informationsdirektor Morten Giersing fest, „aber die Gesetze werden nicht eingehalten, und es gibt auch kaum Sanktionen.“ So beispielsweise in Bangladesh, wo ein Drittel der Kinder zwischen 10 und 14 Jahren arbeitet, oder in Pakistan, wo es immerhin auch 18 Prozent, und in Indien, wo es 15 Prozent sind.

Der internationale Sekretär des dänischen Gewerkschaftsdachverbandes LO, Erik Nielsen, erklärte bei der Veranstaltung, daß er nicht viel von neuen Verboten halte und ebensowenig davon, schon lange vorhandene internationale Konventionen aufzufrischen: „Übergeordnetes Ziel muß es sein, die Ursachen der Kinderarbeit zu beseitigen. Wenn die Erwachsenen einen guten Lohn haben, um ihre Familien versorgen zu können, müssen die Kinder nicht mehr arbeiten und zur Haushaltskasse beitragen.“

Daß ökonomisches Wachstum ein Zaubermittel sei, erweist sich laut Nielsen aber auch als eine Illusion: „So einfach ist dies nicht. In vielen Ländern, vor allem in Asien, sehen wir derzeit, wie sich Kinderarbeit gleichzeitig mit dem ökonomischen Wachstum ausbreitet. Und daß Kinderarbeit gerade in den USA weithin floriert, wo es eine breite öffentliche Meinung dagegen gibt, wenn es sich um Dritte-Welt-Länder handelt, ist ein besonderes Paradox.“