Blumen und Geschenke

■ Nichts für trendy-junge Hüpfer: Miles, ein neuer Musik-Club für Leute ab dreißig

Große erleuchtete Ladenfenster mit Bestuhlung. Dahinter sitzen Leute und schauen raus auf die Straße. Über dem gläsernen Eingang prangt ein gerader Schriftzug in Schwarz vor hellen Neonröhren – richtig schick sieht das aus. Doch eigentlich ein eher ungewohnt aufgeräumtes Bild für den Kneipenkiez in Prenzlauer Berg. Denn das hier ist weder ein düsterer Hinterhofschuppen noch eine Ostalgie- Bar und schon gar keiner dieser Yuppie-Läden, wie sie jetzt einer nach dem anderen in Mitte aus dem Boden schießen. Schlicht „Miles“ heißt diese neue Location an der Greifswalder Straße, quasi zwei Häuser vom Hinterhof des Knaack-Klub entfernt.

Dunkle, gedeckte Farbtöne und eine schummrige, atmosphärische Beleuchtung bestimmen den Raum. Die burgunderrote Farbe an den hohen Wänden war noch nicht ganz trocken bei der Eröffnungsparty am Donnerstag abend. Auf der Bühne im hinten gelegenen Konzertsaal studiert ein Bassist noch schnell ein paar funkig knallende Griffe. Bereits zwei Stunden vor dem Konzert des Soul-Interpreten Colin Rich tummelt sich der halbe Prenzlauer Berg am Tresen, die meisten bringen sogar Blumen und Geschenke für die Gastgeber mit. Es sind Leute, die die 30 Lenze klar überschritten haben, doch damit haben sich die offensichtlichen Gemeinsamkeiten innerhalb der Publikums auch schon erschöpft. Da sind Freunde und neugierige Anwohner, langhaarige Männer mit und ohne Bart, in Jackett und Lederjacke. Manche tragen Koffer mit Instrumenten bei sich. Glatzköpfige Kerle in modischen Sweatshirts, elegantere Frauen und solche im Öko-Look. Die anwesende Gruppe ist alles andere als homogen, doch die Atmosphäre dafür familiär. Man scheint sich zu kennen.

Die Gastgeber heißen Nelli Gudat und Silvio Marciniak und sind nicht nur auf geschäftlicher Ebene ein Paar. Ein bißchen erschöpft sehen sie aus – schließlich haben sie die letzten acht Wochen ausschließlich für diesen Laden geschuftet. Schon im Franz-Club, der im vergangenen Sommer seine Tore endgültig geschlossen hat, haben sie zusammen gearbeitet. Doch mit ihrem eigenen Musik- Club haben sie sich jetzt einen alten Traum erfüllt. „Wir hatten die Wahl – entweder wir fahren jetzt in Urlaub, oder wir machen den Club“, sagt Nelli, eine quirlige kleine Frau mit hüftlangen Haaren, die irgendwie etwas von einem Hippie-Mädchen hat. Aber eigentlich, so muß sie gestehen, spielte man schon seit einem Jahr mit dem Gedanken, eine eigene, neue Location zu etablieren. Nämlich direkt, nachdem Silvio seinem Ex- Kompagnon Frank Herzog seine Mitarbeit am Franz-Club aufgekündigt hatte.

„Im Franz sind einfach zu viele unterschiedliche Sachen gelaufen“, Marciniak, der dort über fünf Jahre die Konzertplanung gemanagt hat, gibt konzeptionelle Differenzen als Grund für seinen Ausstieg an. Herzog wollte mit dem Club auf das Gelände der Kulturbrauerei ziehen, Marciniak eben nicht. „Selbst wenn über hundert Leute da wären, hatte das alles überhaupt keine Atmospähre mehr. Zwölf Jahre Franz-Club sind auch genug“, sagt Marciniak. „Und der Herzog, der arbeitet jetzt eben für den Knaack.“ Doch das mache ihm nichts aus, Konkurrenz belebe schließlich das Geschäft.

Das Miles verfolgt ohnehin ein anderes Konzept: Jeden Abend ab 22 Uhr gibt es Live-Musik, vor allem aus den Bereichen Funk, Jazz, Soul, Latin und Ethno. Einmal die Woche, nämlich mittwochs, lädt man zum Musikantentreff, einer Art Jam-Session-Einrichtung, die noch zu Franz-Club-Zeiten populär war. Ohnehin rechnet man stark mit der Musiker-Klientel, die auch im Franz zu Gast war.

Besonders trendy ist das sicherlich nicht, was man mit dem Miles vorhat. Doch genau das, bekräftigt Silvio, sei auch gar nicht die Absicht gewesen. Manche hielten die beiden schon für verrückt, in finanzschwachen Zeiten wie diesen ausgerechnet so einen Club zu wagen. Doch Nelli und Silvio setzen bewußt nicht auf Schnellebigkeit, sondern auf bewährte Qualitäten: auf Atmosphäre, anspruchsvolle Musik im Black-Music-Bereich und last not least guten Service. „Schließlich werden unsere Gäste mit uns älter“, meint Nelli. Und vielleicht – wenn alles gut geht – kann man mit dem Miles in Prenzlauer Berg einen Veranstaltungsort etablieren, der mit dem Quasimodo im Westen vergleichbar wäre. Kirsten Niemann