■ "Fast erstunken und erlogen"
: Selbsternannte Naturschützer machen gegen den Ausbau der Windenergie mobil. Dabei sind ihnen viele Mittel recht, um bereits geplanten Projekten den Wind aus den Flügeln zu nehmen

Jahrelang war in dem Eifeldorf Reuth die Welt in Ordnung. Ein bißchen Landwirtschaft, einige Berufspendler, die in Trier und Umgebung ihrer Arbeit nachgehen, und ab und zu ein paar Touristen, die am Wochenende durch den Naturpark Nordeifel wandern. Doch seit einem Jahr ist es vorbei mit der Ruhe. Ein geplanter Windpark sorgt für Konfliktstoff und treibt einen Keil durch die 228-Seelen-Gemeinde.

Bürgermeister Ewald Hansen erinnert sich noch lebhaft an seine erste Begegnung mit Thomas Mock. „Es war am 14. September vergangenen Jahres, als Mock mich anrief und einige Informationen über den Windpark haben wollte“, sagt Hansen. Der Bürgermeister wußte damals nur, daß Mock von seinen Schwiegereltern einen alten Bauernhof in Reuth gekauft hatte. Gelegentlich verbringt der Städter Mock ein paar Tage in dem Eifeldorf.

Was Hansen damals nicht wußte: Der Rechtsanwalt aus Remagen gehört zu den aktiven Mitgliedern des Bundesverbandes Landschaftsschutz (BLS). Als Jurist wird Mock vom BLS allen empfohlen, die gegen einen Ausbau von Windparks sind. In den Verbandspublikationen werden die Ziele der selbsternannten Landschaftsschützer klar formuliert: Deutschland sei das letzte Land, „in dem die Windenergie noch hemmungslos wütet“. Windenergienutzung zeige „sowohl ökologisch wie auch volkswirtschaftlich stark negative Bilanzen“. Deshalb: „Es muß daher alles unternommen werden, um ihren weiteren Ausbau zu verhindern!“ Gesagt, getan, und Anwalt Thomas Mock machte sich daran, in Reuth den Bau von zehn Enercon-Anlagen zu torpedieren. Dabei gab es nur ein Problem: Die Mehrheit der Reuther Bürger war und ist für das Projekt.

Damit jedoch wollte sich Thomas Mock nicht zufriedengeben. Bei seiner Suche nach möglichen Gegnern des Projekts wurde der agile Jurist erst im Frühjahr fündig. „Einige Neinsager findet man immer“, meint dazu Bürgermeister Hansen.

Im April schließlich machte sich Windkraftgegner Mock an die Arbeit. Unterschriften sollten in Reuth gesammelt werden, um das 40-Millionen-Mark-Projekt zu kippen. Mit einem Bürgerentscheid wollte der Jurist den Windpark zu Fall bringen. Eine saubere Lösung? „Von wegen, wir haben Mock wegen Urkundenfälschung angezeigt“, erklärt Bürgermeister Hansen. Mock und seine beiden Gesinnungsgenossen, Werner Gockeln und Annemarie Keils, haben bei der endgültigen Textfassung ein wenig nachgeholfen. Unterschriften wurden zwar gesammelt, doch der Begleittext, der an den Ministerpräsidenten Kurt Beck gerichtet war, wurde nachträglich an vierzehn Stellen verändert. „Das ist eine Riesenschweinerei“, schimpft Ewald Hansen. Die geänderte Fassung sei inhaltlich nicht mehr durch die Unterschriftenliste, die unter Vorlage eines anderen Schreibens mit anderem Inhalt zustande gekommen sei, gedeckt.

Über den Fall von Urkundenfälschung muß die Staatsanwaltschaft Trier noch entscheiden. „Merkwürdig, daß ausgerechnet ein Rechtsanwalt mit solchen Methoden arbeitet“, meint Leo Noethlichs, Geschäftsführer des Planungsbüros Umweltkontor in Hückelhoven. Das Ingenieurbüro hat bereits einschlägige Erfahrungen mit dem Bundesverband Landschaftsschutz und seinem Juristen Mock. „Überall dort, wo wir neue Bürgerwindparks planen, tauchen Mock und seine Verbandskollegen auf“, sagt Leo Noethlichs. So geschah es auch in Reuth. Nachdem der Rechtsanwalt aus Remagen mit seiner Unterschriftenaktion kläglich gescheitert war und sich mit einer Strafanzeige wegen Urkundenfälschung auseinandersetzen muß, ging er noch einen Schritt weiter. Frei nach der Devise des BLS: „Wir müssen den rotierenden Wahnsinn stoppen.“

Mock besorgte sich beim Amtsgericht in Erkelenz, dort ist die für den Reuther Windpark verantwortliche Windkraft Planungs- und Entwicklungs KG Eifel registriert, einen Handelsregisterauszug. „Wenn wir keinen Bürgerentscheid durchkriegen, dann steht und fällt das Projekt mit den Investoren“, erklärt Annemarie Keils. Am 17. Juni schreibt Thomas Mock „als durch WKAs betroffener Bürger von Reuth/Eifel“ an die Geldgeber. In dem Brief, der der taz vorliegt, heißt es: „Wir werden alles dafür tun, daß Sie an ihrer umweltzerstörenden Kommanditeinlage keine Freude haben.“ Weiter heißt es in dem Schreiben: „Die ersten durch die Fa. Umweltkontor unterstützten Anlagen müssen ggfls. wieder abgebaut werden.“

Zeitgleich lief eine Leserbriefkampagne in der regionalen Presse gegen das Windparkprojekt. „Schmarotzer-Anlagen“, so ein Leserbrief vom 4. Oktober. Diese Vorgehensweise entspricht nach Recherchen der taz genau dem Drehbuch, das der BLS in seinen Informationsbroschüren vorzeichnet. Darin heißt es unter dem Stichwort „Die ehrenamtlichen Mitarbeiter“ des BLS: „Eine handlungsfähige Gruppe ersetzt einen großen Apparat. Auch Sie können helfen, die Effektivität des BLS zu erhöhen: zum Beispiel durch einen kritischen Leserbrief an die Presse. Viele kleine Aktivitäten sind möglich und in ihrer Gesamtheit wirksam.“

Dutzende Leserbriefe flankierten Mocks Schreiben an die Kommanditisten. „Das ist mit Sicherheit alles abgesprochen“, schimpft Ewald Hansen. Doch auch diesmal gab es für Mock wieder ein gerichtliches Nachspiel. Am 29. September verdonnerte das Landgericht Düsseldorf den BLS-Vereinsjuristen Mock dazu, daß er künftig nicht mehr behaupten darf, daß die Mehrheit der Reuther Bürger gegen den Windpark sei. Außerdem dürfe der Rechtsanwalt nicht mehr behaupten, daß andere Windparkprojekte des Umweltkontors bereits Konkurs angemeldet hätten. Dies entspreche nicht der Wahrheit. „Der BLS und insbesondere Mock haben uns schon eine Menge Zeit, Arbeit und Geld gekostet“, meint Leo Noethlichs. Für Ewald Hansen ist all das, was Mock mit einer Handvoll Mitstreiter in Reuth vom Zaun gebrochen hat, nichts anderes als eine ausgefeilte Schmutzkampagne. „Da ist fast alles erstunken und erlogen“, meint der Bürgermeister.

Insider wie Carlo Reeker vom Bundesverband WindEnergie bringen die Entwicklung in der Eifel in Zusammenhang mit dem gescheiterten Windparkprojekt an der deutsch-dänischen Grenze. Auch dort war der BLS mit einigen Mitgliedern aktiv, konnte ein Millionenprojekt kippen. „Das sind die nützlichen Idioten der Atomindustrie“, erklärt Reeker.

Während in Reuth die Kampagne des BLS vorläufig ins Leere stößt, laufen die Aktivitäten der selbsternannten Umweltschützer in den Nachbarorten gerade erst an. Und alles wieder nach dem gleichen Schema: Unterschriften werden gesammelt, Leserbriefe geschrieben, Flugblätter verteilt und Anzeigen vom BLS in den regionalen und lokalen Blättern geschaltet. „Die machen Stunk, und irgend etwas wird schon hängenbleiben“, sagt Hermann-Josef Philipps vom Verein Eifelwind. Auch Philipps hat Mock schon als prozeßfreudigen Anwalt kennengelernt. Mit dem BLS habe er nichts zu tun, hatte Mock bei zahlreichen Gelegenheiten immer wieder behauptet. Und dem Verein Eifelwind wollte er per Gerichtsbeschluß untersagen, er sei quasi der Hausjurist des Bundesverbandes Landschaftsschutz.

Am 24. März erklärte BLS- Pressemann Dieter Krämer in einer eidesstattlichen Versicherung, die der taz vorliegt, daß Mock nicht Mitglied des BLS sei. Gleichwohl wird er öffentlich als solches angekündigt, beispielsweise im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Eifel Journal als Windkraftgegner „Thomas Mock (vom BLS)“. „Die spielen mit gezinkten Karten“, schimpft Philipps. Klaus Heck