Groteske um Rentenbeiträge

■ Mehrwertsteuererhöhung zur Entlastung der Rentenkosten: Der Bundestag beschließt nach ritueller Debatte mit der Mehrheit der Koalition, was die SPD im Bundesrat ablehnen wird

Bonn (taz) – Die Reihen von SPD und PDS waren noch ganz gut besetzt. Von CDU und Bündnisgrünen hatten schon weit weniger Abgeordnete den Weg ins Plenum des Bundestages gefunden, und von der FDP war fast überhaupt niemand zur abschließenden Debatte über die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 15 auf 16 Prozent gekommen, mit der die Rentenversicherung entlastet werden soll. Dabei ist das Thema Rente doch in aller Munde, seit Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) am Donnerstag zugeben mußte, daß der Beitragssatz im nächsten Jahr auf die Rekordhöhe von 21 Prozent steigen wird. Die Nachricht hatte auf die Präsenz der Parlamentarier jedoch erkennbar keinen Einfluß.

Am Tag, nachdem Blüm seine Hiobsbotschaft verkündet hatte, fand im Bundestag zum Thema Rente nur ein seit langem vorhersehbares politisches Ritual statt. Zwar wurde gestern mit den Stimmen der Regierungskoalition die Erhöhung der Mehrwertsteuer beschlossen. Aber wirksam werden dürfte dieser Beschluß nicht, denn dafür müßte auch der SPD-dominierte Bundesrat zustimmen. Das wird er kaum tun, weil die Sozialdemokraten neben der Anhebung der Mehrwertsteuer auch auf einer Erhöhung der Mineralölsteuer bestehen. Das wissen alle Beteiligten, und so kam denn auch die Debatte über pflichtschuldige Stellungnahmen entlang der vertrauten Linien nicht hinaus. „Ich glaube diesem Arbeitsminister keine Zahl mehr. Sie sind alle getürkt!“ rief Rudolf Dreßler (SPD). Andrea Fischer von den Bündnisgrünen warf der Koalition vor, den Anstieg des Rentenbeitrags durch eine falsche Politik selbst verursacht zu haben. Barbara Höll (PDS) verwies auf Projekte wie Eurofighter und Transrapid und beschuldigte die Regierung, einerseits Geld zum Fenter hinauszuwerfen, das andererseits mühsam zusammengekratzt werden müsse. Arbeitsminister Norbert Blüm nannte all das „Wahlkampf, Wahlkampf, Wahlkampf“.

Spannend wurde es nur ein einziges Mal: Da wandte sich SPD- Fraktionschef Rudolf Dreßler direkt an Wolfgang Schäuble und verwies darauf, daß Sozialdemokraten und Union doch „im Prinzip“ einig seien. Es könne nicht sein, daß die Rücksicht auf den Koalitionspartner FDP mit ihren „fünf Prozent“ eine Einigung verhindere. Der Fraktionschef der Union saß bei diesen Sätzen ganz regungslos auf seinem Platz. Die Hände hielt er vor dem Gesicht gefaltet – ich reagiere nicht, ich reagiere überhaupt nicht, schwieg er laut. Am Schluß der Bundestagsdebatte war das Plenum dann übrigens voll. Schließlich wurde über Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Rentenfinanzierung namentlich abgestimmt, und Abgeordnete, die eine namentliche Abstimmung verpassen, müssen dafür ein Bußgeld bezahlen. Aus eigener Tasche. Bettina Gaus