Ein visueller Kugelhagel, Mann!

■ Fatih Akin dreht seinen ersten abendfüllenden Spielfilm „kurz und schmerzlos“

Veddel oder Georgswerder, wie auch immer. Nicht gerade der „place to be“und fast schon im Nichts der Hansestadt. An der Ecke Fiskalische Straße und Niedergeorgswerder Deich steht gegenüber einer netten kleinen Schrebergartensiedlung der Ex-Georgswerder Hof, jetzt Palas Dügün Salonu. Hier wird die türkische Hochzeitszene von Fatih Akins neuem und erstem abendfüllenden Film kurz und schmerzlos gedreht.

Ein reichlich mit Firlefanz ausgeschmückter Innenraum. Tische mit Papierdecken, Salzstangen und Colaflaschen, bei denen in letzter Sekunde noch akribisch das Etikett entfernt wurde. Das Team am Set deutsch-türkisch gemischt, jede Menge Pauli-People mit Armeehosen oder dem schicken schwarzen „kurz und schmerzlos“-Kapuzenpulli. „It's a family affair.“Obwohl die Aufnahmen noch nicht richtig zu Potte kommen, da noch die türkischen Familien für das Fest fehlen, scheint es allen ziemlich Spaß zu machen. Alle kennen sich, sogar Fatih Akins Vater ist da, und alle sind ständig am Wangenküssen und dabei Umarmungen-Austeilen.

„Sei mein Gast“, lädt Fatih uns mit ausgiebiger HipHop-lastiger Handbewegung ein. Fatih Akin, netter Typ, HfbK Student, Macher von Sensin – Du bist es! und Getürkt, ist der Regisseur und spielt gleichzeitig den Dopedealer in seinem Film. Eigentlich wollte er die Hauptrolle spielen, aber bei den Dreharbeiten zu Getürkt wurde ihm klar, daß gleichzeitig vor der Kamera und hinter der Kamera zu sein zu anstrengend ist. „Mein Film geht ab auf 45 verschiedenen Ebenen. Er ist frisch. Er hat Kraft, Mann. Er kommt mit Lichtgeschwindigkeit auf dich zu, weißt du. 'N visueller Kugelhagel. Der Film wird geil. Also entweder wird der Film geil, oder ich geb' mir 'ne Kugel, weißt du.“

kurz und schmerzlos ist die Geschichte von drei Freunden: Gabriel, ein Türke Anfang 20, der gerade aus dem Knast kommt, und Bobby und Costa, ebenfalls mit Kleingangsterambitionen. „Mein Film hat Sex, Gewalt, Humor, Familie, Religion, Familiensinn, Freundschaft, Mafia, Räuber und Gendarm. Ne, Gendarm nicht“, sagt Fatih. „Ich will gar nicht so auf diesem Türkending rumreiten. Daß der Hauptdarsteller Türke ist, ist eher Zufall. Die Geschichte ist im Vordergrund. Ich hab' keine Politik, also wenn mir einer eine andrehen will, dann ist das Türken im deutschen Kino zu emanzipieren.“

Die Kurzzusammenfassung im Tagesplan der Szene, die heute gedreht wird, liest sich recht obskur: „Alice lernt Gabriel zweimal kennen. Costa steht jetzt auf innere Schönheit, und Gabriel ist mit Costas Outfit nicht einverstanden“. Innere Schönheit, da ist ja einer in dieser Männerclique wohl doch kein so harter Gangster. Bis die Szene dann endlich gedreht wird, dauert es. Die türkischen Familien sind eingetroffen. Doch bevor sie plaziert werden können, bevor die Sache mit Sex, Religion, Mafia ... ins Rollen kommen kann, heißt es Umarmen und Wangenküssen. Familiensinn eben. Jens Kiefer