■ Freimaaaaaak ade
: Abschlepp-Elend

Der 962. Freimarkt ist tot, es lebe der 963. Freimarkt. Nein, nein – so einfach kommen die Toten nicht weg. Wer sich die 97er Lese der fünften Bremer Jahreszeit genauer betrachtet, kommt zu dem Schluß: Da war viel getarnter Mist bei. Das ergab zumindest eine repräsentative Umfrage innerhalb der taz-Redaktion.

Teile der Kulturabteilung zeigten sich entsetzt über die neuen Karussellangebote. So endete beispielsweise die Fahrt mit dem hochwohlgelobten „Free-Fall“in bitterer Enttäuschung. Kein Schließmuskel-Versagen, und obendrein war der vielbeschworene Ritt auf der modernen Kanonenkugel wegen Freitagabend auch noch nach einmal hoch und runter schon vorbei. Gemein!

Auch die Achterbahn „Euro-Star“sah besser aus, als sie tatsächlich war. Hier stimmten die Meinungen innerhalb der Kultur- und der Politikredaktion zu 100 Prozent überein. Das Ding ist nichts anderes als ein durchgedrehter Ski-Lift auf dem man auch noch die Brille abnehmen muß und somit die Aussicht nicht genießen kann. Und das für erwachsene acht Mark. Wir empfehlen für den nächsten Freimarkt: Gehen Sie wieder in die gute alte „Wilde Maus“oder aufs „Frisbee“. Da wird einem wenigstens noch schlecht. Wer keine Lust hat, gebrannte Mandeln oder Zuckerwatte rückwärts zu essen, kann obendrein ins Riesenrad gehen und Herzallerliebste über den Dächern von Schwachhausen küssen.

Das größte Kompliment hat dagegen das neue Bayernzelt bekommen: „Das ist bayerischer als in Bayern“, konstatierte der freistaatliche Teil unserer Zeitung. Außerdem war das Bier tatsächlich preiswerter als 1996. Das brachte dem Neuzelt auch von den Kollegen (ohne großes I) des örtlichen Radiosenders „107.1“Bestnoten ein. Und ein zerdeppertes Bierglas.

Skandalös ist allerdings der Beziehungsquotient des diesjährigen Freimarktes. Der liegt gerademal bei schlappen 0,0000202 „Baggern“auf der nach oben offenen Liebes-Skala. Zumindest wenn man den amtlichen Zahlen Glauben schenkt. So melden die Veranstalter mehr als 3,5 Millionen Besucher. Die Polizei aber – neben 400 Ordnungswidrigkeiten (OWIs) – nur 71 Abschleppvorgänge. Ergibt summa summarum obigen Quotienten, wenn man die OWIs nicht als mißglückte Versuche mitzählt. Das beweist: Die BremerInnen machen im Bayernzelt doch nur die Sause, weil das Bier dort so billig ist. Darum auch der wohlplazierte Stammtisch des Weser-Kuriers. Ansonsten sind's halt unterkühlt, die Nordlichter. Schlimm, schlimm! Da half offenbar auch Costa Cordalis im Hansezelt nicht weiter, zumal dort auch noch der Gerstensaft aus der örtlichen Brauerei teurer war.

Eine echte Schweinerei des diesjährigen Freimarktes fordern übrigens gleich mehrere KollegInnen abzuschaffen: der einheitliche Freimarkt-Umzug mit Gemeinschaftsaufstellen in der Neustädter Gastfeldstraße. Wer läßt sich schon gerne in den frühen Morgenstunden von einem verstimmten Schellenbaum wecken?

Zu guter Letzt wollen wir noch mit einer Lüge aufräumen: Melden die Veranstalter doch mit mehr als 3,5 Millionen Besuchern einen neuen Rekord. Warum bitteschön steht dann in der Pressemappe „werden in diesem Jahr wieder (sic!) rund (doppelsic!) 3,5 Millionen aus ganz Deutschland erwartet“? Jens Tittmann

P.S.: Wenigstens hat's nur an drei Tagen geregnet!