Industrie kritisiert Rekordbeitrag für die Rentenkasse

■ Harsche Töne von BDI-Präsident Hans Olaf Henkel an Bundesarbeitsminister Norbert Blüm

Berlin (taz) –Die Erhöhung des Rentenbeitragssatzes von derzeit 20,3 Prozent auf die Rekordmarke von 21 Prozent bringt Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) in Bedrängnis. Sowohl der Koalitionspartner FDP als auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) äußerten am Wochenende Kritik an der jüngsten Beitragsschätzung seines Ministeriums. BDI-Präsident Hans Olaf Henkel nannte Blüms Rentenpolitik „ein einziges Desaster“. Der Bundestag sollte, so seine Forderung, die Vertrauensfrage des Ministers stellen. Blüms Versuch, mit einer Mehrwertsteuererhöhung um ein auf 16 Prozent die Rentenkasse zu entlasten, sei ungeeignet. Dadurch würde Blüm Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) jeden Spielraum für eine Steuerreform nehmen, glaubt Henkel.

FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle nannte die Beitragserhöhung für 1998 eine katastrophale Nachricht. Über die Rentenpolitik müsse daher „neu diskutiert werden“.

Blüm selbst verteidigte sich gestern mit den Worten, die Schätzung über den Rentenbeitragssatz für 1998 sei nicht die Heimarbeit des Bundesarbeitsministers: „Ich bin nur der Überbringer der Nachrichten.“

Die Beitragsfestsetzung basiere auf den Annahmen der Rentenversicherungsträger und den Eckwerten der Bundesregierung, „der die FDP angehört“. Beide Eckwerte hätten aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung korrigiert werden müssen. Bis Juli hätten sich die Beitragseinnahmen im Bereich der Schätzungen bewegt. Dann seien sie aber „plötzlich abgesackt, so daß wir in diesem Jahr 3,2 Milliarden Mark weniger Einnahmen durch Pflichtbeiträge haben“. Den Arbeitgebern warf er vor, frühere Zusagen von Einstellungen nicht eingehalten zu haben, obwohl die Bundesregierung die schwierigen Spargesetze durchgesetzt habe. Unterdessen befürchten führende Vertreter der Krankenversicherungen eine Erhöhung ihrer Beiträge. Der Vorsitzende des Verbandes der Angestellten- Krankenkassen, Karl Kaula, erklärte, durch die Umwandlung von immer mehr Stellen in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse durch die Unternehmen würden weniger Beiträge eingenommen. Der Trend bedrohe die noch stabilen Beitragssätze, die durchschnittlich bei 13,5 bis 14 Prozent liegen. sev