Spätere Heirat nicht ausgeschlossen

■ SPD und Grüne vereinbaren mehr Rechte für Lesben und Schwule in Hamburg: Diskriminierende Vorschriften sollen abgeschafft, eine Registrierung vor dem Standesamt eingeführt werden. Bonner Union sieht „Irrweg“

Berlin (taz) – Für die fast 100.000 schwulen Männer und lesbischen Frauen in Hamburg kündigen sich rosa Zeiten an: Zum Wochenende vereinbarten sozialdemokratische und grüne Delegationen bei den Koalitionsverhandlungen ein umfangreiches und zugleich weitreichendes Programm zur rechtlichen Gleichstellung homosexueller Bürger und Bürgerinnen. Bisher diskriminierende Vorschriften sollen abgeschafft werden. Schwule und lesbische Lebensgemeinschaften können sich demnächst sogar vor dem Standesamt registrieren lassen. Hamburg wird damit zur homofreundlichsten Kommune der Bundesrepublik.

Schon vor dem Wahltag am 21. September mühten sich alle Parteien von den Grünen bis zur CDU um die Stimmen des homosexuellen Wahlvolks. Die Sozialdemokraten machten Reklame mit ihrem schwulen Bürgerschaftskandidaten und Wahlkampfmanager Lutz Kretschmann – ein mächtiger Fortschritt für eine Partei, die noch in den sechziger Jahren dafür verantwortlich zeichnete, daß Orte der schwulen Subkultur polizeilich so strikt wie in keinem anderen Bundesland sonst überwacht wurden. Die Grünen brauchten nur auf ihr traditionell bürgerrechtliches Programm zu verweisen.

Überraschenderweise enthielt sich die CDU jeder Häme. Ihr Spitzenkandidat Ole von Beust, selbst Junggeselle, erstickte parteiintern jeden Versuch, SPD und Grüne beim rechtsbürgerlichen Wählerspektrum als Homoparteien zu denunzieren – es hätte ihm und seiner Partei wohl auch langfristig nur bei dem Versuch geschadet, sich als moderne und großstädtische Partei zu behaupten.

Während der Koalitionsverhandlungen wurden nun bei den Homobürgerrechten alle Wünsche berücksichtigt, die auf Länderebene realisierbar sein können. Schwule und lesbische Paaren soll künftig nichts mehr daran hindern, gemeinsam eine Sozialwohnung zu beziehen – bislang war dies allenfalls mit dem guten Willen der Wohnungsgesellschaft möglich. In Krankenhäusern und bei Behörden sollen für sie bessere Auskunfts- und Besuchsrechte gelten – noch ist es so, daß beispielsweise der Partner eines Verunglückten kein Recht hat, sich über seinen Gesundheitszustand zu erkundigen. Eltern und andere Verwandte hatten das erste Sorgerecht.

Darüber hinaus soll geprüft werden, ob ein Zuzugs- und Bleiberecht für homosexuelle Partner aus dem Ausland auch bei der jetzigen Rechtslage möglich ist – was heterosexuell Liebenden nicht verwehrt wird, soll künftig auch Homos nicht vorenthalten bleiben. „Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist der Zuzug unter bestimmten Voraussetzungen möglich“, so optimistisch Olaf Scholz, SPD- Mitglied in der Verhandlungskommission für eine rot-grüne Koalition.

Aber die Koalitionsvereinbarung berührt auch noch geltende Tabus: Die rot- grünen Regierungspartner wollen Schwulen und Lesben die Möglichkeit einräumen, sich quasi-ehelich registrieren zu lassen. Zwar soll der von der Grün-Alternativen Liste (GAL) geprägte Begriff der „Hamburger Ehe“ nicht im Koalitionsvertrag stehen. Doch einigten sich die Verhandlungsseiten darauf, homosexuelle Partnerschaften wenigstens mit Hilfe der Behörden registrieren zu lassen.

Staatlich hat die entsprechende Urkunde zwar keine weitere Bedeutung: „Sie ist eine öffentliche Bekanntmachung“, erläuterte SPD-Landeschef Jörg Kuhbier. Aber sie hat Symbolwert – was vor allem im Hinblick auf den anstehenden Bundestagswahlkampf wichtig ist. Die Beurkundung sollen Standesbeamte in Bezirksämtern vornehmen. Das Notargesetz soll zugunsten gleichgeschlechtlicher Beziehungen geändert werden – was auch auf Länderebene geht, ohne das Bundesrecht zu konterkarieren.

Schließlich verständigten sich GAL und SPD noch auf die Möglichkeit von homosexuellen Paaren, Kinder adoptieren zu dürfen. Dies ist in den gängigen Verwaltungs- und Gesetzesvorschriften ausdrücklich nicht verboten, war faktisch aber unmöglich. Die rot-grüne Koalition will dafür Voraussetzungen schaffen, daß schwule oder lesbische Paare auch Eltern werden können.

Die Hamburger Vorschläge zur rechtlichen und gesellschaftlichen Besserstellung von Homosexuellen sind weitgehender als alles, was andere rot-grüne Regierungen sich an Änderungen zutrauten. Zwar sind in den Landesverfassungen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt Diskriminierungen wegen der sexuellen Orientierung verboten, aber in der Praxis folgt daraus nur wenig. In Schleswig-Holstein werden Homosexuelle zumindest bei der Sozialwohnungsvergabe nicht benachteiligt. Immerhin plant das rot-grüne Regierungsbündnis in Nordrhein-Westfalen nach einem Entwurf von Innenminister Franz-Josef Kniola (SPD), Erleichterungen für homosexuelle Lebensgemeinschaften zu schaffen – ähnlich wie in Hamburg.

Von der christliberalen Regierung in Bonn ist für diese Reformen keine Unterstützung zu erwarten. Rupert Scholz, Rechtsexperte und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union, warnte in der Welt am Sonntag vor einem „rechtlichen und politischen Irrweg“: Registrierte Homopartnerschaften seien „verfassungswidrig“ und unterminierten den grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie. Zudem dürfe das Adoptionsrecht „landesrechtlich nicht unterlaufen werden“. Jan Feddersen Kommentar Seite 12