Bremer Kaufmann als Spion

■ ... und Gerechtigkeit für die Tonnenleger! Soeben erschienen: Das Bremische Jahrbuch, Band 76

em engagierten Schiffahrtshistoriker Christian Ostersehlte geht es um nichts Geringeres als Gerechtigkeit. Bei der Durchsicht der verfügbaren Seezeichenliteratur war ihm aufgefallen: „Feuerschiffe und Leuchttürme erfreuen sich eines ungebrochenen Interesses.“Nur „der Tonnenleger wird (...) auffallend stiefmütterlich behandelt“. Damit ist jetzt Schluß! Im soeben erschienenen 76. Band des Bremischen Jahrbuchs widmet er ihnen 50 Seiten – den „bremischen Seezeichendampfern“.

Immerhin datiert die älteste bekannte Nachricht von Seezeichen (Baken oder Tonnen) in der Wesermündung von 1410. Damals schlossen die Stadt Bremen und mehrere friesische Häuptlinge einen Friedensvertrag, der Bremen gestattete, auf Mellumplate und anderswo Baken zu setzen und Tonnen zu legen. Und bereits 1533 findet der erste bremische Tonnenleger namens „Die drei Helden Davids“Erwähnung. Das Ölgemälde von einem hübschen, segelnden „Tonnenbojer“aus dem 18. Jahrhundert befindet sich im Besitz des Focke-Museums. Doch sonst sind die Spuren dieser verdienstvollen Arbeitsschiffe rar. Allenfalls in den Hinterlassenschaften des 1877 gegründeten Tonnen- und Bakenamtes findet man Abrechnungen (von der Handelsschiffahrt wurde ein „Tonnengeld“zur Finanzierung der Weserbetonnung erhoben). Das Betonnungswesen erlebte erst einen größeren Aufschwung nach der Unterweserkorrektion (1887-1895). Vorher gelangten Seeschiffe meist nur bis Bremerhaven; die Betonnung reichte bis Vegesack. Ab da – bis Bremen – war das Fahrwasser lediglich mit Pricken (Sträuchern) gekennzeichnet. Der erste bremische dampfbetriebe Tonnenleger wurde 1887 von der Geestemünder Werft Tecklenborg ebgeliefert, übrigens mit 35208,68 Mark noch 800 Mark billiger als veranschlagt. Die Teerhofhalbinsel in Bremen war lange Zeit einer der Standorte von drei hiesigen Ton- nenhöfe. In Bremerhaven ist heute das Wasser- und Schiffahrtsamt im dortigen Tonnenhof untergebracht. Im Südgiebel des Gebäudes findet man heute noch die drei Wappen der Unterweseranrainer, die sich in der Tonnenfrage zusammenraufen mußten: Bremen, Oldenburg und Preußen.

Stoff für einen spannenden und instruktiven historischen Roman bietet eine zweite Geschichte aus dem historischen Jahrbuch, in der Gabriele Hoffmann vom Bremer Kaufmann Hugo Wolff erzählt, der in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts als Wirtschaftsspion in der Südsee unterwegs war. Es ging nämlich hierzulande die Rede von ungewöhnlich erfolgreichen Geschäften, die der Hamburger Kaufmann Johan Cesar Godeffroys, der „König der Südsee“, zwischen Tahiti und den Marshall-Inseln tätigen sollte. Godeffroys kleinerer Bremer Konkurrent, Hermann Heinrich Meyer (nach dem in Bremen eine Allee benannt wurde) schickte Wolff aus, um herauszufinden, ob sich ein Engagement in der Region lohne. Wolff, der sich als „Naturschwärmer“ausgab und seine Informationen mit Lug, Trug sowie Bestechungen erhielt, berichtet dem erstaunten H. H. Meyer von einem offensichtlichen Bluff der Konkurrenz. Zu verdienen gäbe es in der Südsee wenig, es gehe offenbar nur um den „Nimbus“der fernen Geschäftigkeit. Der Hintergrund wurde Jahre später klar: Godeffroys war pleite. Und brauchte den „Nimbus“seines Südsee-Engagements, um in Europa kreditfähig zu bleiben. Die Briefe des Spions Wolff führten schließlich sogar auf einer Sitzung des Reichstags, in der es um einem Bismarckschen Antrag zugunsten Godeffroys ging, zu einem Eklat.

Solcher Art sind die Geschichten, die das Bremische Jahrbuch („seit 1863“) erzählt. Zum Preis von 39 Mark ist das erstmals respektabel eingebundene, von Konrad Elmshäuser (Staatsarchiv Bremen) redigierte Buch erhältlich. Es soll der Hinweis nicht fehlen, daß man als Mitglied der Historischen Gesellschaft Bremen den Band gratis erhält, während die Mitgliedschaft selbst lediglich 25 Mark kostet. Ein Schnäppchen, ganz ohne Zweifel! BuS