Zwiebelhauch des Todes

■ Susanne Höhne sang Tom Waits und redete wie Bukowski

Diese Zwiebel. Groß und weiß schmorte sie langsam vor sich hin, verbreitete mit der Zeit jenen süßlich-stechenden Geruch, den Gemüsezwiebeln eben abzusondern pflegen, wenn sie über Stunden der gnadenlosen Wärme einer folienumwickelten Schreibtischlampe ausgesetzt sind. Und dann passierte das Unglaubliche: Susanne Höhne griff sich das in Metamorphose befindliche Gemüse, biß ohne jede Hemmung hinein, kaute ein wenig und fragte das sichtlich angewiderte Publikum: „Schmeckt so das Ende?“

Sollte es so sein, es wäre schön, wenn es noch etwas auf sich warten ließe. Lieber saß man da doch im stickigen und überhitzten Café Falstaff am Leibnizplatz, schaute den Bieren gemeinsam mit hundert anderen Alkoholverfallenen beim Verschalen zu und lauschte der Hemmungslosen, wie sie vom unausweichlichen Ende und den wenigen glücklichen Augenblicken davor sang.

Und wer unter den Lebenden wüßte besser darüber Lieder zu schreiben als das US-amerikanische Unikum Tom Waits, und wer unter den seit kurzem Toten könnte mehr darüber erzählen als der ewige Undergroundpoet Charles Bukowski? Bukowski und Waits – die Hohepriester des leicht Schmuddeligen, ein wenig Abseitigen und etwas Öbszönen – zu kombinieren, ist nicht gerade die originellste, aber sicherlich eine atmosphärisch stimmige Idee. Umgeben von leergesoffenen Gin- und Whiskyflaschen, zerdrückten Bierdosen und einer im Laufe des Abends immer einnehmenderen Stimme fröstelte man so gerne vor sich hin, wissend, daß das nackte, verrückte Leben zwar in den Worten Höhnes, aber doch fernab vom Sitzplatz im Falstaff tobt. Und daß meine Sitznachbarin errötete, weil ihr ausländischer Freund sie fragte, was denn ein Wichser sei, beruhigte ungemein. An diesem Ort waren wir sicher.

Singen kann sie, Klavier und Ziehharmonika spielen auch, und Gesichter stehen ihr mehr zur Verfügung als einer ganzen Jeckenparade: Das Ensemble der shakespeare company hat mit Susanne Höhne ein Multitalent engagiert. Daß die 26jährige nicht klingt wie Tom Waits und nicht aussieht wie Bukowski, gereicht ihr nicht zum Nachteil. Wenn diese freundliche Frau mit schönem Gesicht ständig „Fotze“sagt, von Männern erzählt, die mit drallen Schaufensterpuppen bumsen oder über Typen berichtet, die Blut und grünen Schleim kotzen, ist man so gar nicht angewidert. Statt dessen hätte man gerne weiter zugehört und zugesehen. Aber nach 70 Minuten war der Soloabend „Huren wollen keine Ohren“zu Ende. Selbst mein Bier hatte zwischenzeitlich den Blues bekommen. Wir mußten gehen. Hinaus. Ins wilde, verwegene Bremen. zott

Susanne Höhnes Solo ist wieder zu sehen am 16. November, 21 Uhr