■ Normalzeit
: Ein neuer Riesenskandal!

Verkäufe von Landesgrundstücken stehen dieser Tage grundsätzlich unter Filzverdacht: Ein anonymer Anruf in der Redaktion meldet, der Verkauf des insgesamt 109 Hektar großen Areals „Buch V“ geschehe am Parlament vorbei. Die Recherchemaschine beginnt zu laufen.

Heraus kommt: Das Land übertrug „Buch V“ nach der Wende an die Stadtgüter GmbH. 1995 wurde diese angewiesen, „Buch V“ an Pankow abzutreten. Die Stadtgüter GmbH schloß zum 1.10.1997 einen Pachtvertrag mit Pankow ab, um die Felder weiterhin bestellen zu können. Dann meldete sich bei ihr jedoch eine „Stadtentwicklungs- Gesellschaft Buch“ (SEG), die in der GSW-Zentrale residiert. Sie sei von GSW/Gesobau beauftragt worden, die „Buch V“-Flächen zu entwickeln. „Wir waren überrascht. Merkwürdig war auch deren Besitzeinweisung – anhand einer gemalten Karte!“ heißt es aus der Stadtgüter GmbH.

Bürgermeister und Baustadtrat von Pankow sind bis heute der Meinung: „Der Bezirk ist dabei gar nicht involviert. Das ist Landeseigentum!“ Beim Finanzstadtrat weiß man immerhin, daß bereits Ende 1996 GSW und Gesobau 24,5 Millionen Mark für 80 Hektar in „Buch V“ an das Land zahlten – als „Nutzungsentschädigung“, wie es im Vertrag heißt, der immer noch „schwebend unwirksam“ ist. Die SEG plant dort jetzt Wohnungen und „vorbildliche Eigenheime“. Wurde also das Parlament umgangen? Alle Verkäufe von Stadtgutflächen und alle Verkäufe über 10 Millionen Mark müssen über den Hauptausschuß gehen. Die Stadtentwicklungssprecherin der Grünen, Claudia Hämmerling, meint, daß „rechtswidrig“ gehandelt wurde, weil die Zahlung der 24,5 Mio. Markt „wieder mal schlichtweg am Parlament vorbei erfolgte“.

Die Gesobau-Geschäftsführung bestätigt: „Das Geschäft ist gemacht. Es wurde eine Anzahlung geleistet, aber der Vertrag ist noch nicht beurkundet. Der endgültige Kaufpreis steht aber noch nicht fest. Deswegen ist es noch zu früh für das Parlament.“ Gleiches meint der Pressesprecher der Finanzsenatorin, Frank Zimmermann: „Der Vertrag ist noch nicht unterzeichnet. Wir werden ihn dann aber selbstverständlich dem Parlament vorlegen. Daß bereits eine Zahlung erfolgte, ist dabei nicht maßgebend.“

Warum sich die Wirksamkeit des Vertrages hinauszögert, ahnt man beim Pankower Stadtrat für Finanzen: Bis Ende 1997 hätte der Bezirk im Falle eines Verkaufs Anspruch auf 50 Prozent der Kaufsumme gehabt, ab 1.1. 1998 bekommt er nur noch 25 Prozent von der ersten Millionen und für alle weiteren eine Staffelung bis runter auf 5 Prozent.

„Wir arbeiten nicht gegen die Bezirke“, beruhigt zwar die Finanzverwaltung. Eine Verschleppung der letzten „Abstimmungs- und Werterfassungsprobleme“ übers Jahr käme dort jedoch wegen der städtischen Finanzmisere sehr gelegen. Und der Landesrechnungshof sieht darin nichts Verwerfliches, ebensowenig bei der Vorabüberweisung: Solange die Beurkundung am Schluß „unter Vorbehalt der Zustimmung des Abgeordnetenhauses“ erfolgt, ist für die Hüter der Steuergroschen alles in Ordnung.

Nach einem neunstündigen Telefoniertag bleibt als Resultat: das normale Procedere beim Verkauf eines Stadtgutes; die Übervorteilung des Bezirks durch die Hauptverwaltung – und ein Anruf, der den „Skandal“ rechtzeitig zur Sitzung des Vermögensausschusses auf die Titelseite hieven wollte. Der „Skandal“ ist also in diesem Fall ganz meinerseits: Die wunderschöne Geschichte wurde „totrecherchiert“ und rutschte mit forschreitender Aufklärung von Seite eins auf die letzte Seite, da seltsamerweise alles mit rechten Dingen zuging. Helmut Höge