Marlboro-Country wächst in Neukölln

Der Tabakkonzern Philip Morris feierte gestern Richtfest für einen Erweiterungsbau. Nach Millionensubventionen wünschen die Investoren niedrigere Steuern und Löhne sowie den baldigen Autobahnanschluß  ■ Von Peter Sennekamp

Noch Ende der 80er Jahre war Berlin eine Hochburg der Tabakproduktion. Doch als mit dem Mauerfall auch die Berlinförderung wegbrach, zogen sich bis auf zwei Produzenten alle aus der Hauptstadt der Qualmproduzenten zurück. Geblieben sind nur Reemtsma und der Zigarettenriese Philip Morris (PM). Der erweitert nun nicht nur kräftig die Produktion, sondern auch die Anlagen. Gestern wurde der Richtkranz auf einen Hallenneubau in Neukölln gesetzt.

Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) hatte in New York eigens bei der PM-Konzernleitung um Investitionen geworben. Und Eberhard Diepgen betonte in seiner Festrede, daß die 45 Millionen Mark Fördermittel, die der hochprofitable PM-Konzern vom Land Berlin für seine Neuinvestition einstrich, „sich positiv auf die industrielle Gesamtentwicklung“ auswirken werde.

Die Konzernleitung von Philip Morris investierte noch einmal 630 Millionen Mark für Zigarettenfertigung und Tabakaufbereitung. In den neuen Anlagen werden 50,6 Milliarden Zigaretten pro Jahr gefertigt. Philip Morris produziert bereits seit 1972 in Berlin. Bis 1996 steigerte PM den deutschen Marktanteil beim Zigarettenverkauf von 2 auf 40 Prozent. Die gesamte deutsche Marlboro-Produktion kommt heute aus Berlin.

Gearbeitet wird rund um die Uhr in drei Schichten. Allein im vergangenen Jahr betrug der Jahresumsatz rund 8 Milliarden Mark. Dagegen führte die Philip Morris GmbH in Berlin nur 46 Millionen Mark an Gewerbesteuern ab. Überraschend gering scheint diese Steuerlast, da die Produktion seit der ersten Werksöffnung fast ununterbrochen bis an die Kapazitätsgrenze läuft. Trotzdem wünschte der Vizepräsident der Philip Morris EU-Operations, Klaus Schmidt, gestern noch geringere Steuern, Lohnkosten und Abgaben und den Ausbau der Autobahnanbindung. Denn mit Blick auf die Erweiterung der EU nach Osteuropa Anfang des Jahres 2002 seien die PM-Standorte in Tschechien, Ungarn und Polen große Konkurrenten für Berlin.

Um eine beachtliche Rendite zu erwirtschaften, werden in den neuen Gebäuden die weltweit produktivsten Fabrikationsmaschinen eingesetzt. Während 1985 ein PM- Mitarbeiter 25 Millionen Zigaretten im Jahr produzierte, sind es heute knapp 40 Millionen. Entscheidend für diese Produktivitätssteigerung sind zwölf Hochgeschwindigkeitsmaschinen, die jeweils 14.000 Zigaretten pro Minute herstellen und verpacken.

So sank die Zahl der Beschäftigten von 1.450 im Jahr 1990 auf heute 1.250, obwohl im gleichen Zeitraum die Produktion um 10 Millarden Zigaretten anwuchs. Für die Bedienung der neuen Maschinen werden zur Zeit 132 Mitarbeiter in Trainee-Programmen weitergebildet.

Die Qualifizierungsmaßnahme findet Vollrad Kuhn, Abgeordneter der Grünen, beachtlich, da Mitarbeiter teils für drei Jahre bei vollem Lohn freigestellt würden. Die öffentliche Förderung des Marktriesen, der in Deutschland eine beherrschende Stellung im Zigarettengeschäft hält und der inzwischen auch Nahrungsmittelkonzerne wie Jacobs Suchard und Kraft aufgekauft hat, sei jedoch überflüssig, so Kuhn.

Unklar ist, ob die Neukölln-Investition bereits bei PM in New York beschlossen war, bevor die Landesregierung die Fördergelder zusagte. Seit Jahren ist bekannt, daß die steigende Nachfrage nach leichten Zigaretten nur mit neuen Maschinen und einer neuen Tabakaufbereitung bedient werden kann. Daß PM bei einer Neuinvestition seinen 25jährigen Standortvorteil in Berlin aufgeben würde, war nicht zu erwarten.