Athen lädt zur Balkankonferenz

■ Der Zypernkonflikt und die serbisch-albanischen Spannungen im Kosovo stehen im Mittelpunkt von zweitägigen Gesprächen auf Kreta

Berlin (taz) – Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen im östlichen Mittelmeer haben gestern die Staats- und Regierungschefs von acht Balkanländern auf der griechischen Insel Kreta ihre erste gemeinsame Konferenz eröffnet. Eingeladen hatte Griechenland als einziges EU-Mitglied, das sich in Zukunft stärker als Vermittler profilieren möchte.

Die Runde der Teilnehmer ist ungewöhnlich. Zum ersten Mal seit 1948 treffen mit Präsident Slobodan Milošević und Ministerpräsident Fatos Nano führende Vertreter Jugoslawiens und Albaniens zusammen. Außerdem nehmen die Staats- und Regierungschefs von Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Griechenland, der Türkei sowie der Vizeaußenminister von Bosnien-Herzegowina teil.

Zwischen Athen und Ankara ist das Verhältnis derzeit so schlecht wie schon lange nicht mehr. Im Streit um die türkische Besetzung Nordzyperns haben beide Seiten in den letzten Wochen für ein chauvinistisches Klima gesorgt. Erst verletzte im Oktober eine gemeinsame griechisch-zypriotische Militärübung das vereinbarte Überflugmoratorium, dann kam es zu simulierten Luftkämpfen, und schließlich bedrängten türkische Jäger gleich zweimal das Flugzeug des griechischen Verteidigungsministers Akis Tsohatzopoulos. Derzeit finden in der Nordägäis griechische und nördlich Zyperns türkische Manöver statt. An der Demarkationslinie in Nikosia kam es erst gestern zu einem bisher ungeklärten Schußwechsel.

Hintergrund dieser Spannungen sind die fehlgeschlagenen Bemühungen für eine Lösung des Zypernkonflikts. Der zyperntürkische Führer Rauf Denktasch hatte die UN-Bemühungen um eine Wiedervereinigung mit seiner Vorbedingung torpediert, die südliche Republik Zypern dürfe keine Verhandlungen über eine Aufnahme in die EU aufnehmen. In Nikosia wiederum hatte man zwar eine Entmilitarisierung der Insel angeboten, zugleich aber mit der Stationierung russischer Flugabwehrrakten für 1998 gedroht, sollten die Gespräche zur Lösung des Zypernkonflikts scheitern. Die Ministerpräsidenten Griechenlands und der Türkei, Simitis und Yilmaz, wollten gestern abend über den Konflikt beraten. Selbst wenn es dabei zu keiner Annährung kommen sollte, könnte allein die Begegnung für eine Entspannung sorgen.

Auch die albanisch-jugoslawischen Beziehungen bedürften einer Auffrischung. Die Regierung in Tirana verlangt eine grundsätzliche politische Wende Belgrads in der mehrheitlich von Albanern bewohnten serbischen Provinz Kosovo. Allerdings stehen auch die Beziehungen zwischen Albanien und den Kosovo-Albanern derzeit nicht zum besten, weil deren „Präsident“ Ibrahim Rugova für den inzwischen abgewählten albanischen Präsidenten Sali Berisha Partei ergriffen hatte. Bei den Verhandlungen in Kreta könnte als erster Fortschritt eine Rückkehr der Schüler und Studenten im Kosovo an die staatlichen Bildungseinrichtungen stehen. Schon im September 1996 war eine entsprechende Vereinbarung zwischen Rugova und Milošević unterzeichnet, aber nie umgesetzt worden. Klaus Hillenbrand