Viel zu wenig Wasser für zu viele Menschen

Wassermangel bedroht die Zukunft des Gaza-Streifens. Vor allem die Palästinenser sitzen auf dem Trockenen  ■ Aus Gaza Christian Schmidt

Sicher dirigiert Mohammad Ahmed den Wagen durch die staubigen Straßen des Flüchtlingslagers Jabalia. Es geht an übervölkerten Wohnblocks vorbei zur Brunnenstation E11B, wo er Wasserproben entnehmen will. Der Wagen fährt durch überflutete Straßen, verursacht von geborstenen Wasserrohren. Er passiert Wege, neben denen in offenen Kanälen das Abwasser fließt, und stoppt schließlich an einem stinkenden Abwassersee – direkt neben der Brunnenanlage. Vor über vierzig Jahren bewässerte dieser Brunnen lediglich einige Gärten, heute versorgt er ein ganzes Wohnviertel mit Trinkwasser. „Dieses Wasser weist so hohe Salz- und Nitratwerte auf, daß es eigentlich nicht als Trinkwasser genutzt werden dürfte. Aber es ist der einzige Brunnen hier“, sagt Ahmed.

Der Gaza-Streifen gehört zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Welt. Auf 360 Quadratkilometern leben hier eine Million Palästinenser. Ein Drittel dieser Fläche beanspruchen nur 5.000 israelische Siedler.

Mohammad Ahmed fand keinen Studienplatz an einer der beiden Universitäten in Gaza, da diese völlig überlaufen sind. An einer palästinensischen Universität in der Westbank durfte er nicht studieren, weil die Israelis ihm das Transitvisum verweigerten. Schließlich begann er sein Studium an einer libyschen Universität. Nach seiner Rückkehr in den Gaza-Streifen fand er eine Anstellung bei der UNRWA, dem Hilfswerk der UNO. Alarmiert durch die starke Umweltverschmutzung – vor allem des Grundwassers –, gründete sie 1992 eine eigene Abteilung für Umweltschutz.

Die Umweltsituation ist fast hoffnungslos, denn es leben zu viele Menschen auf zu wenig Raum, und sie verbrauchen zu viel Wasser. Übermäßige Wasserentnahme und zu geringer Zufluß lassen den Grundwasserspiegel sinken, dadurch dringt Meerwasser ein und versalzt das Grundwasser. Überdüngung und Pestizide der Landwirtschaft verseuchen es zusätzlich. Abwässer kommen hinzu, denn nur jeder vierte Haushalt in den Flüchtlingslagern ist an die Kanalisation angeschlossen. Die Abwässer fließen durch offene Gräben, sammeln sich in Tümpeln, versickern und mischen sich mit dem Grundwasser.

Anhand einiger Tabellen und Karten erläutert Mohammad Ahmed die Situation: „Fast alle Brunnen fördern Wasser mit einem Nitratgehalt, der weit über dem Doppelten des von der Internationalen Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Grenzwertes von 45 Milligramm pro Liter liegt.“ Der Salzgehalt jedes vierten Brunnens schwankt um den Wert von 250 mg/l. Drei Brunnen in Gaza erreichten Werte von über 1.200 mg/l und mußten aufgegeben werden.

Verschärft wird das Problem durch die israelische Siedlungspolitik. Man beschlagnahmte die Flächen für israelische Siedlungen, deren Brunnen die beste Wasserqualität aufwiesen. Das fehlende Wasser müssen die Palästinenser bei der israelischen Wassergesellschaft Mekarot kaufen – zum dreifachen Preis, den die israelischen Siedler im Gaza-Streifen bezahlen.

Nach dem Friedensabkommen von Oslo im Jahr 1994 wurde die Verantwortung für die Wassernutzung teilweise in die Hände der palästinensischen Verwaltung übergeben. Diese räumte der Wasserfrage oberste Priorität ein. In der Folgezeit entstanden zahlreiche Projekte, um die Wasserquantität und -qualität zu steigern. Die internationale Gemeinschaft wurde auf die Wasserkrise aufmerksam, und so engagieren sich seit dem Oslo- Abkommen zahlreiche internationale staatliche und nichtstaatliche Organisationen verstärkt in diesem Bereich. Mit deutscher Hilfe wurde die erste Kläranlage nördlich von Jabalia errichtet. Schrittweise wird das marode Wasserleitungsnetz in Gaza saniert, in dem schon ein Drittel des Wassers beim Transport versickert.

Hinzu kommt der unökonomische Umgang mit den knappen Vorräten. In Untersuchungen stellte die palästinensische Wasserbehörde fest, daß der Anbau von Zitrusfrüchten nur zu 14 Prozent zum finanziellen Ertrag der Landwirtschaft beiträgt, jedoch 55 Prozent des zur Bewässerung genutzten Wassers verbraucht. Sie empfiehlt daher, den wasserintensiven Anbau von Zitrusfrüchten zugunsten anspruchsloser Gemüsesorten umzustellen. Moderne Methoden wie die Tröpfchenbewässerung finden langsam ihren Weg in die Treibhäuser.

Kurzfristig vermögen solche Projekte die Wasserknappheit zu mildern, aber langfristig verspräche nur ein transnationales Wassermanagement vom Libanon bis nach Ägypten Abhilfe. Wie aber soll die Zusammenarbeit mit den arabischen Staaten funktionieren, wenn sich schon die vertraglich festgelegte Kooperation in Wasserfragen zwischen Israel und den Palästinensern auf gelegentliche Telefonkontakte beschränkt? Israel verbraucht zwei Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr, jedoch nur 0,75 Milliarden davon stammen aus dem eigenen Territorium. Der Rest wird in den besetzten Gebieten gefördert.