Enttäuschte Hoffnungen

■ Frankreich: Die Lkw-Fahrer kämpfen auf fast verlorenem Posten

Es ist November, und Frankreichs Lkw- Fahrer rollen ihre schweren Vehikel zu Barrikaden an Verkehrsknotenpunkten zusammen. Wie vor einem Jahr beginnen sie einen unbefristeten Streik, um höhere Löhne durchzusetzen.

Können die nicht genug kriegen? fragen viele Ausländer. Und selbst die streiktoleranten Franzosen, die im letzten November mit Kuchen und aufmunternden Worten zu den Barrikaden spazierten, zweifeln, ob dieser Konflikt nötig ist.

Für die Lkw-Fahrer ist das keine Frage. Seit Monaten zeigt ihnen der Blick auf den Lohnzettel, daß ihre Patrons sie betrogen haben. Den 1996 ausgehandelten Lohnzuschlag in Form von Prämien haben die meisten nie bekommen. Zermürbt von miserablen Gehältern, die oft weit unter dem gesetzlich ausgehandelten Mindestlohn liegen, den extrem langen und praktisch unkontrollierten Wochenarbeitszeiten und den seit der Liberalisierung des Sektors härter gewordenen Arbeitsbedingungen, gab ihnen die mangelnde Verhandlungsbereitschaft der Patrons jetzt den Rest. Als deren größte Organisation die Suche nach einem Kompromiß sabotierte, blieb den Lkw-Fahrern keine andere Wahl als der Streik.

Die Lastwagenfahrer treiben enttäuschte Hoffnungen voran – die harte Haltung der Patrons hat aber auch eine politische Note. Für sie waren die Lohnverhandlungen die erste Gelegenheit, Jospin eine Quittung für die angekündigte gesetzliche Einführung der 35-Stunden-Woche zu servieren. Sie üben jetzt jene Rache, die der Arbeitgeberchef schon am Tag der nationalen Beschäftigungskonferenz angedroht hatte.

Die rot-rosa-grüne Koalition übernimmt mit dem Lkw-Konflikt eine Altlast der konservativen Regierung. Nachdem sie im Vorfeld des Streiks Verhandlungsbereitschaft signalisiert hatte, schickte sie gleich am ersten Streiktag Polizisten los, um Barrikaden zu verhindern. Auch das ist ein Unterschied zu ihrer Vorgängerin – und möglicherweise ein Hinweis auf den Ausgang des Konflikts. Im Gegensatz zu dem im vergangenen November längst diskreditierten Premier Juppé fühlt sich die Regierung Jospin heute von großer Unterstützung getragen. Für die verzweifelten Lkw-Fahrer, die schon im vergangenen Jahr, trotz des großen Verständnisses für ihre Sache, nur einen matten Kompromiß erreichten, verheißt diese Konstellation nichts Gutes. Dorothea Hahn