Lkw-Blockaden in Frankreich

■ Auch Deutschland von den Streiks betroffen

Paris (taz) – An 140 übers ganze Land verteilten Barrikaden kontrollierten gestern in Frankreich streikende Lkw-Fahrer das Geschehen: Die Kleinen durften durchfahren, die großen Brummer hielten sie zurück. Der französische Güterverkehr auf der Straße kam dabei beinahe komplett zum Erliegen. Tausende von Lkws aus dem Ausland, die es trotz der Aufhebung des Sonntagsfahrverbotes nicht geschafft hatten, außerhalb der französischen Landesgrenzen zu gelangen, blieben hängen. Wie schon im November des letzten Jahres, als die Lastwagenfahrer zwölf Tage lang streikten, ist Frankreich damit wieder zu einem großen Verkehrshindernis zwischen Süd- und Osteuropa geworden.

Aus Protest gegen die Aktionen ihrer französischen Kollegen blockierten rund 400 spanische, deutsche und britische Lkw-Fahrer am Mittag ihrerseits eine Autobahn. In zahlreichen Departements beschlagnahmten die Präfekturen Tankstellen, um die Versorgung von Polizei und Rettungsdiensten sicherzustellen. Anderswo wurde das Benzin pro Fahrzeug rationiert.

Alle fünf untereinander konkurrierenden und zerstrittenen Gewerkschaften der Lkw-Fahrer hatten zu dem unbefristeten Streik aufgerufen, nachdem sich die Basis in einer Urabstimmung massiv dafür ausgesprochen hatte. Nachdem der größte Arbeitgeberverband der Branche, UFT, den Verhandlungstisch verlassen hatte, hielten die Lkw-Fahrer den in seiner Abwesenheit ausgehandelten „Kompromiß“ mit der kleineren Arbeitgeberorganisation Unestra für sinnlos. Wie schon im vergangenen Jahr verlangen sie eine fünfprozentige Erhöhung der bis heute lächerlich niedrigen Löhne bis zum 1. Januar 2000 sowie eine Begrenzung der Monatsarbeitszeit auf 200 Stunden.

Der kommunistische Transportminister Gayssot blieb auch gestern am Brummi. Am Nachmittag zitierte er sämtliche Arbeitgeberorganisationen, die die rund 38.000 Fuhrunternehmen in Frankreich repräsentieren, in sein Ministerium. Heute vormittag startet er einen Verhandlungsversuch mit den Gewerkschaften, die die 340.000 Fahrer vertreten.

Der Streik könnte sich in Deutschland schon in den nächsten Tagen auswirken. Sollte der Transitverkehr durch Frankreich großräumig blockiert werden, wird der deutsche Einzelhandel bei Obst und Gemüse schon am Wochenende um Preiserhöhungen kaum herumkommen. Ein geplanter Atomtransport von der Schweiz ins britische Sellafield muß möglicherweise verschoben werden. Dorothea Hahn

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