Hamburg ist koalitionsreif: Grüne in festen Händen

■ Rot-grüne Verhandlungen vor dem Abschluß: Grüne Spitzenkandidatin Sager wird Senatorin, doch die Partei kann nur Duftmarken setzen. Finanzen bleiben in SPD-Hand

Hamburg (taz) – SPD und Grün-Alternative Liste (GAL) in Hamburg standen gestern abend vor dem Abschluß der Koalitionsverhandlungen. Noch am Abend wollten SPD und GAL die Ergebnisse ihrer Beratungen bekanntgeben. Fest stand schon zuvor: An der Spitze des rot-grünen Senats wird der bisherige Finanzsenator und SPD-Linke Ortwin Runde (SPD) stehen. GAL- Verhandlungsführerin Krista Sager soll Zweite Bürgermeisterin werden. Damit muß die seit 40 Jahren ununterbrochen regierende SPD nun zum erstenmal die Macht mit den Grünen teilen. Außerdem soll sie Wissenschaftssenatorin werden; ihr Wunschposten, denn schon seit geraumer Zeit wird sie als „Zukunftsministerin“ einer rot-grünen Regierung in Bonn gehandelt.

Zum Abschluß der Verhandlungen mußte die GAL noch eine bittere Pille schlucken. Die SPD weigerte sich strikt, das Schlüsselressort Finanzen herauszurücken. Die GAL hatte den Posten eigentlich ihrem intellektuellen Kopf und Haushaltsexperten Willfried Maier zugedacht. Maier hätte „das Naturell“ für den Job des Finanzsenators, hatte Runde zwar noch während der Haushaltsberatungen bekundet. Doch als es konkret wurde, wollte er die Querschnittsbehörde, die Einblick in alle anderen Bereiche gewährt, doch nicht an den kleinen Koalitionspartner abgeben. Die GAL habe beim Sparen „Schwierigkeiten“ mit der eigenen Klientel, sagte Runde. Damit bleiben den Grünen neben der Wissenschaftssenatorin Sager wahrscheinlich nur die Schulbehörde und das Umweltressort. Für letzteren Senatsposten ist der GAL-Linke Alexander Porschke im Gespräch. Doch weil er vielen nicht links genug ist und zudem ein Mann, soll die ehemalige Berliner Baustadträtin Erika Romberg auf der GAL-Mitgliederversammlung kommendes Wochenende gegen ihn antreten.

Die voraussichtliche Ressortverteilung ist für die Grünen kein strahlender Sieg, wenn man bedenkt, daß die GAL mit rund 14 Prozent der Stimmen das bundesweit beste Landtagswahlergebnis holte. Die SPD war hingegen bei den Bürgerschaftswahlen auf einen historischen Tiefstand von 36 Prozent abgerutscht. In der Folge war SPD-Bürgermeister und Rot-Grün-Gegner Henning Voscherau zurückgetreten. Sein Nachfolger Ortwin Runde hatte die rot-grünen Verhandlungen überhaupt erst ermöglicht. Erstmalig, so die einhellige Meinung beider Parteien, wurde mit dem Ziel verhandelt, wirklich einen Koalitionsvertrag abzuschließen.

Die magere Ausbeute bei der Postenverteilung spiegelt das rot-grüne Verhandlungsergebnis insgesamt wider. Die GAL konnte in den meisten Bereichen nur Duftmarken setzen, mußte aber viele Kröten schlucken. So wurden die Großprojekte Elbvertiefung, Hafenerweiterung und Flughafenausbau zum Ärger der Umweltverbände und von Teilen der Basis durchgewinkt. Im Gegenzug erhielten die Grünen einen bunten Strauß Absichtserklärungen. Immerhin können die Grünen sich zugute halten, den Wahlkampfschlager Innere Sicherheit entzerrt zu haben. Hier soll es künftig mehr Prävention, Minderheitenschutz, Armutsbekämpfung und Beteiligung der Betroffenen statt sozialdemokratischer Stimmungsmache à la Voscherau geben. Auch manche Großbausiedlung konnte verhindert oder eingeschränkt werden. Als echter Erfolg darf die Einführung der „Hamburger Ehe“ gelten: Homosexuelle Paare können ihre Lebensgemeinschaft künftig registrieren lassen und Rechte daraus ableiten.

Mit einem Aufstand auf der für kommendes Wochenende geplanten grünen GAL-Landesmitgliederversammlung ist trotz der bescheidenen Erfolge nicht zu rechnen. Die Aussicht, daß der AKW-Schrottmeiler Brunsbüttel nach dem Willen des neuen Senats abgeschaltet werden soll, wird die Basis trotz aller Kritik befrieden. Silke Mertins