Fixen und fixen lassen

Wer in Hamburgs Gesundheitsräumen arbeitet, bleibt vorerst straffrei. Senat will Musterprozeß bis vors Verfassungsgericht führen  ■ Von Judith Weber

Ein Senator muß tun, was ein Senator tun muß. „In einer solchen Situation“, verkündete gestern Wolfgang Hoffmann-Riem, „ist ein Justizsenator geradezu aufgefordert, eine Lösung zu finden.“Und er hat sie gefunden: MitarbeiterInnen von Gesundheitsräumen werden in Hamburg zunächst nicht strafrechtlich verfolgt. Darauf hat sich der parteilose Hoffmann-Riem mit der Staatsanwaltschaft des Landgerichts geeinigt.

Zwar ist die immer noch der Meinung, daß Gesundheitsräume rechtswidrig sind, weil Junkies darin nicht nur Kaffee, sondern auch die Gelegenheit bekommen, sich Heroin zu spritzen. Zwar meint der Senat inklusive Wolfgang Hoffmann-Riem immer noch, daß die Räume erlaubt sind. Wer jedoch recht hat, soll der Bundesgerichtshof klären oder gar das Bundesverfassungsgericht. Und bis zu dessen Entscheidung werden Fixerstuben-MitarbeiterInnen nicht verfolgt.

„Wir werden einen Musterprozeß führen“, sagte Hoffmann-Riem. Angefangen beim Hamburger Landgericht und weiter bis zum Bundesgerichtshof. Falls der die Druckräume verbietet, „ist das ein Fall fürs Verfassungsgericht“, kündigte der Senator an. „Aber das kann Jahre dauern.“Während dieser Zeit erstattet die Polizei beflissen weiterhin Strafanzeigen gegen die MitarbeiterInnen von Fixerstuben. Aber die Staatsanwaltschaft nimmt die Vorermittlungen nur pro forma auf: Ab in den Schrank mit der Anzeige; Augen und Schublade zu, bis ein Gericht entschieden hat.

Auch danach sollen die DrogenhelferInnen nicht verurteilt werden. Egal wie die höchste Instanz entscheidet: Die Verfahren werden in jedem Fall eingestellt. Denn entweder werden die Druckräume legalisiert – in diesem Fall hat niemand sich strafbar gemacht. Oder das Gericht findet Fixerstuben gesetzeswidrig. Dann werden die MitarbeiterInnen trotzdem nicht verurteilt, weil sie heute schließlich nicht wußten, daß ihre Arbeit Jahre später geächtet werden würde – Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. „Das ist eine einvernehmliche Lösung“, kommentierte gestern Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger das Verhandlungsergebnis.

Der Musterprozeß „ist wahrscheinlich der einzige Weg“, erklärte Bernd Homann, Sozialarbeiter beim Drob Inn. „Denn eine Klärung muß auf jeden Fall her.“Schließlich ermittelt die Staatsanwaltschaft seit März gegen einen Mitarbeiter des Billstedter Drogenbusses „drug mobil“. Damit muß sie nun aufhören. Denn für den Musterprozeß taugt der Mann nicht, erklärte Wolfgang Hoffmann-Riem. Er möchte mit eineR Fixerstuben-MitarbeiterIn vor Gericht ziehen, deren Arbeitsplatz nicht so eng und provisorisch ist wie ein Bus, und hofft, daß sich einE FreiwilligeR aus einem Druckraum findet.

Mit ihrem Kompromiß machen Hoffmann-Riem und die Staatsanwaltschaft möglich, was SPD und GAL in ihren Koalitionsgesprächen beschlossen haben: vier neue Fixerstuben für Hamburg und eine „Lösung, die nicht auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen wird“. Der scheidende Justizsenator freute sich über seine letzte wichtige Amtshandlung: „Im Senat hat es sogar Beifall gegeben.“