Bremen durch Atomtransporte gefährdet

■ Interner Bericht: Nukleartransporte fahren durch Wohngebiete, stehen tagelang auf Bahnhöfen und werden beim Verladen hoch in die Luft gehoben / Bericht wird seit einem Jahr zurückgehalten

Transporte mit radioaktivem Material durch Bremen und seine Häfen sind alles andere als sicher. Das ist das Fazit eines noch internen Gutachtens, das der Senator für Häfen, Überregionalen Verkehr und Außenhandel in Auftrag gegeben hat, und das der taz vorliegt. Hauptkritik an den Transportbehältern: Nur wenige Meter Abstand zwischen Transporten und Wohnvierteln, teilweise tagelange Wartezeiten der strahlenden Fracht auf Güterbahnhöfen und Ladearbeiten, bei denen Container bis zu 20 Meter über den Boden angehoben werden.

Das Gutachten „Transport radioaktiver Stoffe im Lande Bremen“liegt dem Häfenressort schon seit August 1996 vor, eine Frühfassung sogar seit März 1996. Seitdem berät eine Arbeitsgruppe, wie das brisante Papier behandelt werden soll. Inzwischen wurde von der AG eine Stellungnahme verfaßt, die auf die Kritikpunkte des Gutachtens reagiert. Grundsätzlich, so heißt es aus der Behörde, werden die Folgerungen der Gutachter jedoch nicht in Zweifel gezogen. Der Senat muß nun das weitere Vorgehen beschließen.

Mit dem Bericht der beiden Physiker Cornelius Noack und Gerald Kirchner von der Universität Bremen sollte geprüft werden, wie Nukleartransporte durch Bremen ablaufen und was zu verbessern wäre. Ihr Schluß: eine ganze Menge. Die Vorschläge werden in 18 Empfehlungen gebündelt, die es in sich haben.

So wird vorgeschlagen, eine neue Straße zum Containerhafen in Bremerhaven zu bauen, die durch unbesiedeltes Gebiet führen soll. Grund: es gibt nur einen LKW-Zufahrtsweg für atomare Fracht, die laut Bericht: „ im Bereich der Cherbourger Straße über eine Länge von etwa 1,5 km unmittelbar durch dicht besiedeltes Wohngebiet“führt. Auch ein „minimaler Schutz“der Bevölkerung im Falle eines Unfalls sei „nicht gewährleistbar“.

Weiterer Kritikpunkt: Die Eisenbahnwaggons mit atomarer Fracht stehen teilweise mehrere Tage auf den beiden Rangierbahnhöfen Oslebshausen und Bremerhaven-Speckenbüttel herum – unbewacht und strahlend. Der Bericht: „Da die Nukleartransporte den normalen betrieblichen Abläufen des Rangierbahnhofs unterliegen, können sich wochenend-bedingt Standzeiten mehrerer Tage ergeben.“Ein Sabotageakt in Oslebshausen hätte „massive Folgen“für die Wohnbevölkerung im dichtbesiedelten Gröpelingen. Und: ... die Möglichkeiten und Verfahren der Deutschen Bahn zur Transportsicherung ... sind unzureichend.“

Auch die Handhabe innerhalb des Hafens wird kritisiert. Denn bei modernen Schiffen werden die strahlenden Container grundsätzlich obenauf gepackt – um sie besser zu überwachen. Moderne Schiffe aber sind auch große Schiffe. Der Bericht: „In der Konsequenz können deshalb bei der Be- oder Entladung Hubhöhen der Containerbrücken von mehr als 20 m auftreten.“Behälter für radioaktive Stoffe aber werden nur darauf geprüft, ob sie einen Sturz aus neun Meter Höhe unbeschadet überstehen. Eine Vorschrift, wie hoch die Behälter gehoben werden dürfen, existiert nicht. Weitere Kritik richtet sich gegen die Verschiffung auf RoRo-Fährschiffen (vom Typ der havarierten Estonia), und gegen die Katastrophenschutzübungen der zuständigen Behörden.

Für den Zeitraum 1988 bis Juni 1995 zählt der Bericht in Bremerhavener Häfen 1.679 Nukleartransporte, im Bremer Hafen zwischen 1980 und 1995 immerhin 160. Darunter befinden sich die verschiedensten radioaktiven Stoffe von Uranhexafluorid über Plutonium bis zu abgebrannten und frischen Brennelementen. Christoph Dowe