Wilderer in der Kfz-Branche

■ Seit gut einem Jahr reparieren und warten BVG und BSR private Autos und Lastwagen. Bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen löst die übermächtige Konkurrenz Unmut aus

Seit einem Jahr bieten die Berliner Verkehrsgemeinschaft (BVG) und die Stadtreinigung (BSR) auch privaten Kunden in ihren Wartungshallen einen ganz gewöhnlichen Kfz-Reparaturdienst an. Auch Busunternehmen und Lkw-Spediteure können ihre Fahrzeuge bei den öffentlichen Großunternehmen zum Licht-, Reifen-, Scheibenwischer- und Motorcheck vorfahren: die BVG wartet Autos, Kleintransporter und Wohnmobile, die BSR Lastwagen und Busse. Der BSR-Wintercheck „zum coolen Preis“ von 35,95 Mark geht mittlerweile sogar ins zweite Jahr.

Der Senat hat den städtischen Dienstleistungsbetrieben mehr wirtschaftliche Eigenständigkeit verordnet. Die Betriebe müßten neue „Berater- und Betreiberaktivitäten“ entfalten, hatte Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) gefordert. Dies diene auch der Sicherung von Arbeitsplätzen. Mit der Service-Offensive sollen vorhandene Kapazitäten besser ausgenutzt werden. In den betriebseigenen Reparaturstätten warten BVG und BSR sonst ihre insgesamt 4.600 Wagen starke Fahrzeugflotte.

Mit einem „Sonderangebot“ warb die BVG im Juni für ihre neuen Angebote: 14 Tage lang konnten knausrige Altautobesitzer ihre ausgedienten Vehikel kostenlos zur Entsorgung abgeben. Außerdem ziehen 15 BSR-„Kundenberater“ durch die Stadt und verbreiten die neue Botschaft unter den Speditionen.

Doch der Vorstoß in fremdes Revier wird von der mittelständischen Kfz-Branche mit viel Mißtrauen beäugt. Vor allem bei den Lkw- und Busreparaturbetrieben fürchtet man die Konkurrenz der mit Steuergeldern gut ausgestatteten BSR- und BVG-Fertigungshallen mit ihren insgesamt 1.300 Monteuren.

„Jetzt versuchen BSR und BVG, uns auch die Arbeit wegzunehmen“, beklagt sich ein Neuköllner Kleinunternehmer mit sieben Beschäftigten. Angesichts von Auftragsrückgängen „von rund 30 bis 40 Prozent“ in der Branche, hält er deren Engagement für unfair: „Ich seh' das nicht ein, daß ein ehemals staatlicher Betrieb jetzt plötzlich seine enorme Öffentlichkeitswirksamkeit und seine übergroßen Kapazitäten einsetzt, um uns Konkurrenz zu machen.“

Als „zweischneidiges Schwert“ bezeichnet auch Christian Runge, Landesgeschäftsführer der CDU- Mittelstandsvereinigung, das Wildern von BSR und BVG in der Kfz-Branche. Als Großabnehmer hätten diese bei den Materialkosten Rabattvorsprünge von rund zehn Prozent.

Die Innung des Kraftfahrzeuggewerbes hat bereits 1996 Gespräche mit Wirtschaftssenator Pieroth und der Handwerkskammer geführt, sagt Anselm Lotz vom Innungsvorstand. Einig seien sich die Beteiligten lediglich darüber gewesen, daß BSR und BVG ihre Monopolstellung im Öffentlichen Nahverkehr und der Müllbeseitigung nicht mißbrauchen dürfen, um mit Dumpingpreisen ihr neues Engagement zu subventionieren.

„Eine Querfinanzierung darf es nicht geben“, sagt auch der Pressesprecher der Senatswirtschaftsverwaltung, Michael Wehran. Zudem dürften BSR und BVG ihre zusätzliche Aktivitäten nicht zum eigentlichen Standbein machen. Im kommenden Jahr will die Senatsverwaltung für Wirtschaft daher eine Bilanz ziehen. Tilman Weber