„Aber benehmt's euch“

Der FC Bayern München gerät durch den nonchalanten Umgang mit einigen rechtsextremen Fanclubs ins Zwielicht  ■ Von Martin Krauß

An einen „schönen Abend“ erinnert man sich in der Bayerischen Staatskanzlei, wenn man an den 9. August dieses Jahres denkt. Der Ministerpräsident des Freistaates und Vorsitzende des Verwaltungsrats des FC Bayern München, Edmund Stoiber, hatte zum Empfang anläßlich des 14. Meistertitels des Fußballbundesligisten geladen. Um einer der 2.000 Gäste zu sein, mußte man, wenn man nicht gerade Ministerpräsident war, Vorsitzender oder zumindest stellvertretender Vorsitzender eines der bundesweit 1.525 Fanclubs sein. Mit Reden und Schnittchen wurde es ein schöner Abend. „Dazu kamen die Standardgesänge wie ,Ajax ist ein ... Club‘“, berichtet das Bayern-Fanzine Der Fürstenrieder, dem der Abend auch gefallen hat. Die drei Pünktchen im schriftlichen Bericht stehen für „Juden“.

Wo sich alle so schön amüsieren, kennt man keine Probleme mit Fans. Nach Art eines überforderten Familienvaters, dem das Ansehen vor den Nachbarn wichtiger ist, als dem ungezogenen Balg zu helfen, wimmelt man beim FC Bayern alle Fragen und Anwürfe ab. „Wir haben kein Fanproblem“, sagt Raimond Aumann, früherer Nationaltorwart und heutiger Fanbetreuer des Klubs. Und wenn es eventuell doch Probleme gibt, dann waren es eben keine Bayern- Fans. „Vielleicht auf dem Nachhauseweg“ könnten Fans nach dem Staatskanzleiempfang so etwas gesungen haben, sagt Aumann. Und dann sei auch gar nicht ausgemacht, daß das wirklich Bayern-Fans waren.

Bayern-Fans sind es natürlich auch nicht, die bei Dietrich Schulze-Marmeling mehrfach anriefen, um Morddrohungen in die Muschel zu blaffen. Grund ist ihre Empörung über zwei Seiten seines mehr als 500 Seiten umfassenden Buches „Die Bayern. Vom Klub zum Konzern“ (kürzlich im Werkstatt-Verlag erschienen), die sich mit Rechtsextremismus unter den Fans beschäftigen. Da ist die Rede von drei Fanclubs: Red Munich aus München, der Bayern-Fanclub Sauerland, der das Fanzine Sauerland-Echo herausbringt, und der Fanclub Bonn. Bei denen gehört „Ajax ist ein Judenklub“ genauso zum Gesangsrepertoire wie „SS, SA, Bavaria“. Und auch die Aumannschen Antworten, die man ebenso von Manager Uli Hoeneß kennt, gehören zum Standard. Woher man denn wisse, daß das Red- Munich-Mitglieder gewesen seien, wird man gefragt. Nur weil die Gesänge unter deren Fahne stattfanden? Aber gegen die Gesänge, die sie angeblich nicht anstimmten, haben die betreffenden Fans überhaupt nichts. „Ajax ist bekannterweise ein ,Judenklub‘“, schreibt Jens Hilgert, Redakteur des Sauerland-Echo, und Frank Breidenbent, Vorsitzender des Fanclubs Bonn, meint, es sei ja bekannt, daß bei Ajax viele Juden seien. „Von solchen Sprüchen distanzieren wir uns“, meint Raimond Aumann. Für ihn ist RM, wie sich Red Munich abkürzt, ein Club „engagierter Fans, die den FC Bayern immer zu Auswärtsspielen begleiten“. Nach Ansicht eines Fanbeamten der Münchner Polizei gibt es schon mal rechtsradikale Gesänge bei denen, „aber aus Leichtfertigkeit heraus“, nicht politisch. Und im Internet findet sich eine „Oi“ genannte Homepage, wo neben der Forderung „Rotfront verrecke!“ auch die „Bayern-Hools Red Munich“ gegrüßt werden.

Eines der Mitglieder von RM arbeitet beim FC Bayern auf der Geschäftsstelle. Lange war er Mitarbeiter von Aumann, sollte dort die Szene beobachten und der Bayern-Vorstandsetage „Namen ausplaudern“, sagt Frank Breidenbent aus Bonn. Der Mann wollte nicht mehr und hat jetzt eine andere Verwendung in der Geschäftsstelle – mit Journalisten reden will er nicht. Ob durch den Mann auf der Geschäftsstelle oder durch persönlichen Kontakt, auch der Manager will immer wissen, was die Fans gerade treiben. „RM- Andy fragte Hoeneß“, heißt es zum Beispiel in einem Fanzine-Bericht über ein Spiel der Bayern in Spanien, „ob er uns Freikarten besorgen könnte, was dieser dann auch tat. Mit den Worten ,Aber benehmt's euch, gell!‘ überreichte er uns Karten für die Ehrentribüne.“ Doch bevor die gutsherrliche Art der Fanbetreuung wirken konnte, hatten die noch etwas zu erledigen: „Wir wollten gerade aufbrechen, da fiel unser Blick auf einen alten Mercedes mit Münchener Kennzeichen und auf dem Kofferraum ein Stinker-Aufkleber. (...) Das ging natürlich nicht an, und so wurde der Aufkleber abgeknibbelt und durch den Aufkleber ,Bayern- Fans gegen Links‘ ersetzt.“

Gewiß, der FC Bayern hat mit rechtsextremen Fans weniger Probleme als andere Klubs der Bundesliga. Was den FC Bayern aber besonders macht, ist, daß er sich als fußballerisches Aushängeschild Deutschlands begreift, der überhaupt keine Probleme mit Fans habe und folglich auch Fanarbeit mit Sozialarbeitern und -pädagogen ablehnt. Für Schulze-Marmeling ist die Mischung aus Abwimmelei und Fanberuhigung nicht ganz so beruhigend. „Die geringe Sensibilität des Vereins, der ja einst selbst als ,Judenklub‘ denunziert wurde, ist schon bemerkenswert“, sagt der Autor, für den die betreffenden Fanclubs ursprünglich nur eine „Randerscheinung“ darstellten. Inzwischen ist er überzeugt: „Der FC Bayern gehört unter Beobachtung.“