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: Kein Verbrechen wert

„Der Ausbruch“, Mo., 20.15 Uhr, ZDF

Erst als bereits der Nachspann über den Bildschirm läuft, gestattet sich dieser Film doch noch etwas Kühnes. Wie sie da im freien Fall seinen Arm nimmt und er ihren; wie er entschlossen „Nie wieder“ ruft, bevor er sie in den Abgrund zieht, nachdem ihr Gatte, Staatsanwalt Brand, noch gebrüllt hatte „Laß sie los!“; wie wir nun wissen, daß allein jenseits dieses Abgrunds die Anwältin Gesetzlose sein kann und der Verbrecher Liebender – da schwebt der Fallschirm mit den beiden irgendwohin, und die letzten Credits prangen auf dem Bildschirmhimmelblau.

Jetzt geht's ans Sortieren. Wie war das, als der Zuhälter der Anwältin, die ihn befreite, im Fluchtauto ernst in die schönen Augen sah – „Ich versteh' nicht, daß so eine gutsituierte, gebildete Frau...“ und sie ihm antwortet „Natürlich verstehst du das nicht“? Wie war das später mit der Roadmoviestandardszene im Motel, sie im Bett, er daneben: „Warum hast du deinen Mann verlassen?“ – „Er hat mich nicht respektiert“ – „Beruhte das auf Gegenseitigkeit?“ – „Möglich. (Pause) Machst du bitte deine Zigarette aus!“ Wie Alex, diesem recht Hart-aber-herzlich- Zuhälter (Peter Lohmeyer), blieb auch uns bis zu besagter Fallschirmszene verborgen: Warum nur hat die Anwältin Lena (Corinna Harfouch) alles verlassen für die Flucht mit einem Schwerverbrecher? Diesen Gatten hätten wir zwar auch verlassen, die Figur ist Drehbuch und Regie jedoch so gänzlich mißlungen, daß sie keine Verbrecherlaufbahn wert ist. Als Lena auf der Flucht noch einmal bei ihm anruft und versucht, die Rollen zu wechseln, staatsanwältelt er: „Die Situation ist für alle schwer. Ich möchte versuchen, dir meine Gedanken näher zu bringen.“ Meine Güte, ZDF! Das ist die Frau, die er liebt!

Die ganze Inszenierung hat etwas von der Linkischkeit der Nullfigur. Auch sonst rumpelt die Dramaturgie oft heftig, was aber die Wirkung so berückender Szenen wie im Motel nicht zerstören kann. Da verbindet sie ihm seine Schußwunde, während er sich adonismäßig einen Tick zulang nach hinten reckt. Doch immer, wenn dann das Licht ausgeht, besinnt der Film sich seiner Qualitäten. In den Bildern von der scheuen Liebe oder was immer es sein soll, das Alex und Lena verbindet, wird dem „Ausbruch“ seine eigene linkische Distanz doch noch zum wirkungsvollen dramaturgischen Element. Lutz Meier