Alter, ist das Scheiße!

■ Cinegiga, Cinegaga: "Ballermann 6" von und mit Tom Gerhardt ist der richtige Filme für alle Maxxe und für Mäxchen im Erlebnispark

Im Kino gewesen. Das Kino heißt Cinedom. Das heißt so, weil es ganz groß ist. Fast wie ein Parkhaus. Und da fahren die Menschen rein, gut angebunden das Ganze, und dann wird sich gekümmert um die Menschen. Servicekräfte in T-Shirts und unter Mützen mit Logos drauf sorgen dafür, daß man sich fallen lassen kann: nur noch sitzen und gucken und Mund auf und zu und runterschlucken. Mehr wollen die meisten ja sowieso nicht. Die sanitären Anlagen sind nicht sauber, sondern rein, das Licht freundlich, und die Handtücher sind es auch.

Solch ein Kino gibt es in allen größeren Städten. Das ist wie mit McDonald's in Duisburg oder Moskau. Schmeckt alles gleich, sogar die Seife, und man weiß gar nicht, wo man ist, wenn man blöd ist, und man ist ja blöd, meistens. Nur heißt Cinedom anderswo dann Cinemax mit zwei x oder Cinegiga, Cinemega oder Cinemaxi. Ist auch eigentlich kein Kino. Ist eher so ein Erlebnispark, der dafür sorgt, daß man nicht auf dumme Gedanken kommt. Oder überhaupt auf Gedanken. „Freizeitfaschismus!“ rufen die einen, „Eine kleine Cola!“ die anderen. Am Wochenende jedenfalls kommen alle angeparkt und halten Händchen (Mausi) und Tütchen (Popcorn) und Fläschchen (sie Cola, er Bier). Manchmal auch beide: Sekt. Die Sessel sind sehr bequem, und die Beine wissen gar nicht wohin bei soviel Freizeit. Auf jeder Seite sind zwei Armlehnen, das ist nobel. Schon bei der Werbung geht es zu wie im Stadion. Sind genauso viele Menschen. Das spürt man, das riecht man. Zunächst schüchterne Schreie, dann merken sie, daß das Spaß macht und ankommt und keiner böse guckt, und dann schreien sie sich gegenseitig hoch und laut. Wird immer lauter, Film kann beginnen. In der vorangehenden Werbung für Zigaretten, Bier und Freiheit (Jeans auch) geht es mehr denn je um Sex. Sex in seinen verblüffenden Facetten. Das sind die Krisenerektionskräfte, die da greifen.

Der Film heißt „Ballermann 6“. Der ist von und mit Tom Gerhardt, und Mallorca findet in diesem Film zu sich selbst oder zu uns, was aufs selbe rauskommt. Ein Italiener (gespielt von einem Türken, so so) und Tom Gerhardt, gespielt von Tom Gerhardt, sampeln langmütig alle Klischees, die wir in jedem Sommer wohl glauben müssen, wenn wir nicht hinfahren und von RTL2 und Pro7 übersendet bekommen. Samt ihren verklemmten Reportermagazinen schwenken diese Sender nach Mallorca oder senden gar gleich von dort. Unvergessen Biggie Schrowange mit sabbernden Blubberaffen im Hintergrund, die „Jürgen Drews ist homosexuell“ sangen, mitten drauf auf die schöne Melodie vom „Yellow Submarine“.

Der Film hat eine gute Stelle. Da kommen Tom und der Ausländer an den Ballermann, und da stehen all die Suffköppe, und Tom sagt „Endlich normale Leute“. Schlechter Film, wenn das schon die beste Stelle ist? In der Tat. Mehr solcher Witze, und man hätte ein schlechtes Gerhardt-Polt-Remake. Doch Eichingers Prollwerk will nicht kritisieren, will nicht entlarven, will nicht huldigen, will gar nichts, nur Geld und Lacher. In Hamburg gab es pflichtschuldig Ärger, weil Besucher sich so freuten über diese ihre frisierten Urlaubsdias, daß sie die bequemen Sessel aufschlitzten und ein wenig in die Gänge vomierten. Einfach so, wie im Film, könnte man sagen. Aber wird in Rambo-Filmen geschossen, gab es in „Trainspotting“ Methadon für alle, und wurde in Basic Instinkt kopuliert? Vielleicht danach. So hat Ballermann eine schöne Unmittelbarkeit. Die Inkubationszeit dauert einen Schluck kurz. Sogar schon vor dem ersten Rülpser (also noch während der Werbung) rufen die Leute vernehmlich „Eimer!“. Vielleicht hatten sie davon gehört, daß in Leverkusen Tom Gerhardt höchstselbst Sangria in Eimern an die Menge verklappt hatte. Total super Stimmung.

Der Deutsche im Urlaub. Der will dann immer Sauerkraut und Bier und spricht deutsch. Man. Genau. Und während der Jahresarbeit ist er wieder faul und trinkt Sekt im Büro. „In nur 12 Wochen“ hat Tom Gerhardt das Drehbuch geschrieben, wundert sich der Spiegel, den es allerdings auch dreiseitig wundert, daß „eine merkwürdige Faszination für Mallorca die Deutschen jeden Sommer immer wieder auf die Insel“ spült. „Nur 12 Wochen“ ist gut. „Jeden Sommer immer wieder“ ist aufwühlend. Hatten wir aber auch schon auf RTL2 gehört.

Über die Wirklichkeit wissen wir kaum Genaues. Aus dem Film aber kann man berichten: Tom Gerhardt sitzt mit seinem Italo- türken kurzbehost im Sonnenmilchbomber und – „uiuiui“. Das rufen die Eimerbrüller in Cinesonstwas immer, wenn Gefahr im Verzug ist. Und Gefahr ist oft im Verzug. Zum Beispiel Muskelmann vs. Muselmann oder zwei Zuhälter vs. zwei Zuhälter; und die anderen, die sind jeweils ganz schön, also echt, sauer. Oder auch der Ehemann von der heißen Blonden und die Turbulenzen im Flugzeug, wo dann natürlich gekotzt wird, lauter Gefahren. Und alles wendet sich zum Schlechten: Da steht also ein Eimer, und es ist dann völlig klar, der fliegt jemandem auf den Kopf, oder es tritt zumindest jemand hinein. Alle Körperöffnungen dürfen was sagen in dem Film. Und aus den Sesseln schallt es zyklisch „uiuiui“, „o-o“ oder „Eimer“. Zum Schluß steht es ungefähr 65 (Eimer) zu 48 (o-o). „Alter, ist das Scheiße“, rufen die Leute begeistert, immer wieder. So wie sie das sagen, so meinen sie das.

Irgendwann wird es Versuchsreihen geben: Menschen in Kinocentern eingesperrt. Zum Versuchsreihern, aber auch einfach so zum Leben. Und sie werden den Ausgang nicht suchen. Was zu beweinen war. Benjamin von Stuckrad-Barre