„Ich hoffe, daß die SPD etwas grüner und liberaler wird“

■ Willfried Maier, der Haushaltsexperte der GAL, blickt optimistisch in die rot-grüne Zukunft der Hansestadt Hamburg

taz: In der Rekordzeit von drei Wochen fegten SPD und GAL durch alle Politikbereiche. Seit Montag nacht ist der Koalitionsvertrag unter Dach und Fach. Warum ging das so schnell?

Willfried Maier: Weil dieses Mal beide Seiten wollten. 1993 war die SPD unter Henning Voscherau nicht wirklich zu einer Koalition bereit. Davor wollte die GAL eine SPD-Regierung allenfalls tolerieren.

Wieso glauben alle außer der GAL, daß die SPD Sie über den Tisch gezogen hat?

Gleich zu Anfang haben wir Großprojekte wie die Hafenerweiterung verhandelt, die einst eine große Protestbewegung und später die Grün-Alternative Liste ins Leben riefen. Die Bauvorhaben waren aber jetzt nicht mehr rückholbar. Wir mußten unsere Position zu diesen symbolträchtigen Projekten nun auch offiziell fallenlassen.

Als die grüne Basis jüngst dagegen protestierte, haben Sie gesagt, grüne Identitätspflege gehöre in Selbsterfahrungsgruppen.

Ich habe das etwas unglücklich formuliert. Aber letztlich ist das meine Meinung. Politische Identitäten sind wichtig, müssen aber realen Veränderungen angepaßt werden. Bereinigungen sind nötig, auch wenn sie schwere Erschütterungen hervorrufen.

Ist die SPD bei der Modernisierung ein Klotz am Bein?

Es gibt in der SPD nicht nur Bremser, sondern auch Modernisierungsfreundliche. Zu denen gehört der designierte Erste Bürgermeister Ortwin Runde.

Runde wirft der GAL vor, nicht mit Geld umgehen zu können, und verweigerte Ihnen das Finanzressort. Sind Sie enttäuscht?

Ach, das zeichnete sich leider schon länger ab. Dieser zentrale Bereich hätte uns Zugang zu allen Behörden ermöglicht. Wir hätten die Verwaltungsmodernisierung voranbringen und uns auch bundespolitisch profilieren können. Das hat nicht geklappt.

War für die Grünen die Zeit noch nicht reif für ein Schlüsselressort?

Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß wir die Haushaltskonsolidierung mittragen. Doch trotz dieser globalen Zusage aller Grünen, denkt der einzelne Fachpolitiker sich immer gern Projekte aus, die in all ihrer Schönheit auch Geld kosten. Die SPD hat natürlich dasselbe Problem.

Beim Wahlkampfschlager Innere Sicherheit ist es Rot-Grün nicht gelungen, dem Law-and-order-Geschrei ein Konzept entgegenzusetzen. Wieso nicht?

Mehr Polizei und schärfere Gesetze bringen nichts. Wir setzen darauf, die Bevölkerung vor Ort bei den Sicherheitsfragen einzubeziehen. Daß wir es trotz dieses Wahlkampfes geschafft haben, die Kontrolle der Polizei durchzusetzen – es soll eine unabhängige Kontrollkommission eingerichtet werden –, ist ein großer Erfolg für den Schutz von Minderheiten in dieser Stadt. Schließlich hat Hamburg einen Polizeiskandal erlebt.

Die Frage der bundesweit einmaligen offenen Drogenszene in Hamburg ist aber weiter offen.

Das ist ein echtes Problem. Jeder weiß, daß wir die Drogenszene nur zurückdrängen können, wenn es gelingt, mit zusätzlichen Fixerräumen Alternativen für die Suchtkranken zu schaffen. Doch wenn die Staatsanwaltschaft verrückt spielt und, wie jetzt geschehen, gegen die Mitarbeiter der Druckräume ermittelt, sind wir natürlich ausgebremst.

Besteht nun eigentlich bei Ihnen noch Hoffnung auf Veränderungen in der SPD, oder wird die GAL sich anpassen?

Ich hoffe, daß die SPD etwas grüner und liberaler wird, besonders was das Thema Migration angeht. Die GAL wird damit konfrontiert werden, daß das freie Agieren von Phantasie in den engen Bahnen von Finanzmisere einerseits und Gesetzeslage anderseits nicht möglich ist. Wir brauchen für unsere Politik eine gesellschaftliche Mehrheit und nicht nur die Akzeptanz unseres eigenen Spektrums. Interview: Silke Mertins