Bedeutungsverlust der Gewerkschaften

■ Künftig zählt die Macht der Konsumenten

Die Gewerkschaften verlieren weltweit Mitglieder. Frauen, junge Arbeiter und Leute in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen treten oft gar nicht erst ein, hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) festgestellt. Auch in Deutschland zahlen nur noch 29 Prozent der Arbeiter und Angestellten Gewerkschaftsbeiträge. Verliert das Kapital seinen Gegenspieler?

Sozialpartnerschaft innerhalb Deutschlands war dem DGB stets das wichtigste Anliegen. Zwar betonen die Gewerkschafter beständig die internationale Solidarität. Doch praktisch ging es fast nur ums Aushandeln von nationalen Tarifverträgen – mehr Lohn und weniger Arbeitszeit für die Mitglieder. Den Arbeitgebern war das zunächst recht: Die Steigerung des Lebensstandards bescherte ihnen gute Absätze. Ihre Arbeiter waren zugleich ihre Kunden, ganz so, wie Henry Ford es einst proklamiert hatte.

Doch nun macht die Industrie Ernst mit dem Internationalismus – und die Gewerkschaften stehen dumm da. Mikroelektronik, Informationstechnologien und geringe Transportkosten sorgen dafür, daß der Herstellungsort immer unwichtiger wird. Dem Kapital steht eine fast unbegrenzte Auswahl an Arbeitnehmern zur Verfügung. Wo Steuervorteile, Subventionen und eine brave Arbeitnehmerschaft winken, da lassen sich die Investoren nieder. Fordismus und Sozialpartnerschaft als flächendeckendes Modell sind am Ende; sie lassen sich nicht auf internationale Strukturen übertragen. Nur in den Branchen, die nicht einfach auswandern können, stimmen die alten Koordinaten der Sozialpartnerschaft noch. Beim Bau stehen deutsche Arbeitgeber und -nehmer nach wie vor Seit an Seit. Gemeinsam fordern sie Mindestlöhne – um die ausländische Konkurrenz fernzuhalten. Doch das rettet das System auch nicht mehr.

Wer heute ein Gegenspieler des Kapitals sein will, muß flexibel und international agieren. Und er muß die Achillesferse der Hersteller treffen können: den Absatzmarkt. Nicht mehr diejenigen, die die Waren produzieren, können die internationalen Konzerne zu Änderungen ihrer Politik zwingen. In postfordistischer Zeit können allein die Verbraucher solche Macht entfalten. Lassen sie die Waren liegen, die unter unwürdigen Bedingungen hergestellt wurden, müssen die Betriebe ihre Politik gegen ihre Beschäftigten ändern. Annette Jensen

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