■ New Yorker wählen Giuliani und feiern so die Renaissance der Stadt
: Bürgermeister der Welthauptstadt

Im Überschwang seines Siegesgefühls rief der neugewählte Bürgermeister New Yorks, Rudolph Giuliani: „New York ist wieder die Hauptstadt der Welt.“ Damit hat er den eigentlichen Grund für seinen Wahlsieg genannt. Anfang des Jahrhunderts war New York das Tor zur Neuen Welt und deren Abbild zugleich. Nirgends ließ sich so wie in New York erfahren, daß Amerika eine Weltnation war. Durch New York strömten Immigranten aus aller Herren Länder. Sie stellten nicht nur die billigen Arbeitskräfte für die Sweat Shops, sondern machten die Stadt zur Talent- und Ideenbörse. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg verlor New York durch Deindustrialisierung und Abwanderung an Bedeutung. Die Stadt verlor ihre Steuerbasis und verwahrloste. Schon bald machten Weltstädte wie Singapur und Hongkong New York den Platz als Bankenmetropole streitig. Der Niedergang New Yorks fand seinen Ausdruck im Verbrechen. Anders aber als das hochorganisierte Gangstertum der 20er Jahre stand in den 60er, 70er und 80er Jahren das gemeine Straßenverbrechen für New York.

Die Zeiten haben sich geändert. Heute wird wieder in die Stadt investiert. Der Abwanderung von New Yorkern steht ein Zustrom von Einwanderern gegenüber, die eine boomende Wirtschaft wenigstens teilweise aufnehmen kann. Die Höhenflüge auf dem Aktienmarkt werfen Milliardengewinne ab, in New Yorks berüchtigter U-Bahn ist man sicherer als im chaotischen Straßenverkehr, die Bürgersteige sind voller Leben, heruntergekommene Bausubstanz wird repariert, nach New York strömen Touristen.

Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter, und letztlich hat Erfolg, wer ihn für sich reklamiert. Das ist Giuliani gelungen. Sparmaßnahmen und eine neue Polizeitaktik haben sicher zur Verbesserung der Lage beigetragen. Letztlich ist der Wandel das Ergebnis vieler Faktoren. Image und Psychologie spielen dabei eine große Rolle. Die Nachricht vom Rückgang des Verbrechens lockt die Menschen auf die Straße sowie Firmengründer und Besucher in die Stadt. Und belebte Orte sind der beste Schutz gegen Verbrechen.

Die Wahl Giulianis ist letztlich ein Akt, in dem New York seine Renaissance und seine neue Weltgeltung feiert. Doch verschwunden sind die Probleme nicht. Die Wirtschaft ruht auf der schmalen Basis des Banken- und Investmentgeschäfts. Bei einem Crash könnte sich der ganze Zauber verflüchtigen. Peter Tautfest