Im Basar der Klänge

■ Von Bremen nach Berlin zum Jazzfestival: „Singing Drums“und die göttliche Greetje Bijma

Niemand wollte es glauben, doch es stimmt: Am Dienstag erst hatten sich die vier Musiker der „Singing Drums“, der Formation rund um den legendären Schweizer Percussionisten Pierre Favre, und die niederländische Vokalistin Greetje Bijma kennengelernt, am Mittwoch gaben sie bereits ihr zweites Konzert: In der dacapo-Musikreihe machten sie Station im Übersee-Museum, bevor sie heute gemeinsam beim Berliner Jazzfest auftreten.

„Das ist doch nicht möglich“, raunte es durchs Bremer Publikum. Denn was sie gehört und gesehen hatten, war ein Konzert der Spitzenklasse, bei dem das schräg-skurrile Ambiente des Übersee-Museums einen Hintergrund abgab, der wie eigens für die Darbietung entworfen schien. Palmhütten und Masken, Totems und Fetische, ausgestopfte Tiere und schamanistische Werkzeuge – der ganze herrliche Plunder erwachte im Laufe des Abends zu neuem Leben.

Es raschelte, zischelte, quakte, röhrte, jaulte, zirpte, wog sich im Singsang einer von ferne lockenden Melodie. Mancher Konzertbesucher suchte anfänglich nach einem Synthesizer, der diese exotischen Klänge produzierte. Tatsächlich aber stammten sie aus dem Munde von Greetje Bijma, die bewies, was ihr der Down Beat bereits 1989 nach ihrem internationalen Durchbruch beim Berliner Jazzfest bescheinigte: eine Stimme von geradezu „unmenschlicher Gestaltungskraft“.

Begleitet wurde sie von den „Singing Drums“, deren Erscheinen mit großer Spannung erwartet wurde. Schließlich gilt der seit den 70er Jahren als Solopercussionist international bekannte Pierre Favre in vielerlei Hinsicht als außergewöhnlicher Musiker: Wie kein anderer trieb er die Entwicklung der Rhythmik als eigenständiger und zentraler Gestaltungsebene voran. Seine persönliche Vision ist die des percussiven Klangs und daneben die einer orchestralen Percussion. Unter dem Titel „Singing Drums“veröffentlichte er 1994 eine Komposition für ein reines Percussions-Ensemble, die er gemeinsam mit Paul Motian, Fredy Studer und Nana Vasconcelos einspielte und damit neue Maßstäbe in der Welt der Percussion setzte.

Mittlerweile hat Favre in dem erst 29jährigen Lucas Niggli einen idealen Partner gefunden, mit dem er seine Visionen umsetzen kann. Die neue „Singing Drums“geht einen Schritt weiter in dieser Richtung, obgleich zwei Bläser, allerdings als die Percussion eher begleitende, die Besetzung teilen: Roberto Ottaviano, 1993 zum besten Musiker Italiens erkoren, gilt als einer der interessantesten Saxophonisten der jüngeren Generation. Michel Godard ist ein vielseitiger Tubaist, der sich im Jazz ebenso wie in der ethnischen und klassischen Musik etablierte.

Sämtlichst hochkarätige Musiker also, die Greetje Bijma im Übersee-Museum mit Kalebassen, Trommeln, Zimbeln, Becken und Gongs, mit Tuba und Saxophon einen farbig dichten Klangteppich verschafften, auf dem sie ihren Intuitionen folgen und den ihr eigenen, bizarren Gesang entfalten konnte.

Es war, wie sie im Anschluß an das Konzert der taz gestand, nicht immer einfach für sie, in der ihr unbekannten Gruppe die freien Räume zu finden, innerhalb derer sie nun mal am besten improvisieren kann. Die Musik der „Singing Drums“sei teilweise sehr fein durchstrukturiert, erklärte sie. Daher hielt sich die Sängerin, – „ich bezeichne mich nicht als Jazzerin, in meinem Paß steht Vokalistin“– manchmal sehr zurück, wenn etwa einer der Bläser einen melodiösen Part begann.

Pierre Favre jedoch verstand es immer wieder, ihr diese Freiräume zu öffnen. Die „Singing Drums“und Greetje Bijma – eine Formation, von der man sich wünscht, sie möge noch lange zusammenarbeiten. Der Erfolg in Berlin scheint jedenfalls programmiert.

Dora Hartmannn