Das Portrait
: Schwer mundtot zu machen

■ Omar Belhouchet

Der algerische Zeitungsherausgeber Omar Belhouchet muß wegen Verleumdung der Staatsgewalt für ein Jahr ins Gefängnis Foto: taz-Archiv

Die Richter in Algier kennen kein Erbarmen. Am Dienstag verurteilten sie den Herausgeber der unabhängigen Tageszeitung El Watan, Omar Belhouchet, zu einem Jahr Haft. Sein Verbrechen: Verleumdung der Staatsgewalt. Der kritische Journalist hatte wiederholt ausgesprochen, was viele Algerier angesichts der langen Liste von Morden an Pressevertretern im vom Bürgerkrieg zerrissenen Land glauben: „Es gibt Journalisten, die den Herrschenden ein Dorn im Auge sind. Ich wäre überhaupt nicht überrascht, wenn sich eines Tages herausstellen würde, daß bestimmte Kollegen von Männern der Macht ermordet worden sind.“

Omar Belhouchet wäre um ein Haar die zweifelhafte Ehre zugefallen, die Liste der 60 tödlichen Anschläge auf Journalisten, die von der Regierung alle islamistischen Terroristen zugeschrieben werden, anzuführen. Hunderte von Drohbriefen stapelten sich bereits in den Schubladen seines Schreibtisches und denen seiner Kollegen, als ihm am 17. Mai 1993 als erstem Journalisten tatsächlich ein Kommando auflauerte. Belhouchet hatte wie jeden Morgen seine Kinder in der Schule abgesetzt, als drei Vermummte das Feuer eröffneten. Der Journalist beschleunigte und entkam wie durch ein Wunder.

Seine Kinder schickte Belhouchet daraufhin nach Frankreich. Er selbst lebt seither in einem Versteck und nimmt jeden Tag einen anderen Weg zur Redaktion. Seine Ehe hielt dieser Anspannung nicht stand und wurde geschieden.

Belhouchets Laufbahn begann im El Moudjahid, dem Organ der einstigen Einheitspartei FLN. Als 1990 unabhängige Zeitungen zugelassen wurden, gründete Belhouchet zusammen mit einer kleinen Gruppe von Kollegen El Watan. Die engagierte demokratische Linie des Blattes war der Regierung schon bald ein Dorn im Auge. 1993, ein Jahr nachdem die Armee die ersten freien Wahlen des Landes nach dem Sieg der Islamischen Heilsfront (FIS) abbrach und die Macht an sich riß, wurde El Watan zum ersten Mal vorübergehend verboten. Der Auslöser war ein Bericht über einen islamistischen Anschlag auf eine Gendarmeriekaserne – für die Regierung „eine voreilige Information“. Zwei Dutzend weitere Verfahren warten bis heute auf ihn. Reiner Wandler