Gehirnwäsche verstößt nicht gegen Vereinsrecht

■ Bundesverwaltungsgericht beschert Scientology einen Teilerfolg: Die Psychosekte ist kein reines Profitunternehmen, dem das Privileg „e.V.“ aberkannt werden kann

Berlin (taz) – Der Versuch, der Psychosekte Scientology mit zivilrechtlichen Mitteln Einhalt zu gebieten, ist vorerst gescheitert. Gestern errang Scientology vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin einen juristischen Teilerfolg. Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Scientology- Tochterfirmen verstoßen nicht gegen ihren Status als eingetragene Vereine, heißt es in einer Entscheidung des Gerichts. In der Sache selbst fällten die Bundesrichter allerdings kein eigenes Urteil, sie hoben vielmehr das Urteil einer Vorinstanz auf und verwiesen den Rechtsstreit zurück an den Verwaltungsgerichtshof Mannheim (Aktenzeichen: BVerwG 1C 18.95).

Auslöser des Prozesses war eine Entscheidung des Regierungspräsidiums Stuttgart aus dem Jahr 1986. Damals hatte die Behörde dem Verein „Scientology Neue Brücke e.V.“ die Rechtsfähigkeit entzogen. Begründung: Der Verein verfolge nicht nur ideelle Zwecke, wie es die Vereinssatzung erfordere, sondern unterhalte einen „wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb“. Der VGH Mannheim hob diesen Bescheid in zweiter Instanz auf, weil Scientology sich darauf berief, eine Religionsgemeinschaft zu sein. Einer solchen vom Grundgesetz besonders geschützten Glaubensgemeinschaft könne der Vereinsstatus aber allein wegen der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht entzogen werden. Dies sei erst möglich, wenn die Religion „nur als Vorwand wirtschaftlicher Ziele“ diene.

Die grundsätzliche Frage, ob Scientology eine Religion oder ein Unternehmen ist, ließ das Bundesverwaltungsgericht gestern unbeantwortet. Auch entschied es nicht, ob die persönlichen oder finanziellen Gefahren für einzelne Mitglieder „mit anderen hoheitlichen Mitteln“ zu bekämpfen seien. Jedenfalls rechtfertigten solche Gefahren „nicht, dem Kläger die Rechtsfähigkeit mit der Begründung zu entziehen, er verfolge den Zweck eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs“. Der Verkauf der Scientology-Kurse an Mitglieder mache aus dem „e.V.“ Scientology kein ausschließlich wirtschaftlich orientiertes Unternehmen, so die Richter. Auf wirtschaftliche Ziele gerichtet sei ein Verein, der dauerhafte und auf Dauer angelegte „über den vereinsinternen Bereich hinausgehende“ Tätigkeiten zum Geldverdienen verfolge.

Konkret zu Scientology heißt es: Ein Verein unterhalte „keinen Wirtschaftsbetrieb, soweit er seinen Mitgliedern Leistungen anbietet, in denen sich die Vereinsmitgliedschaft verwirklicht und die (...) nicht von anderen erbracht werden kann. Dann liegt nämlich keine unternehmerische Tätigkeit vor.“ Dies sei bei Scientology der Fall, wenn die von Kritikern als Gehirnwäsche bezeichneten Auditing- Kurse und Seminare „von gemeinsamen Überzeugungen der Mitglieder getragen sind, von denen sie nicht gelöst werden können, ohne ihren Wert für den Empfänger zu verlieren“. Insgesamt, so Werner Meyer, der Vorsitzende Richter des 1. Senats, seien nicht genügend Tatsachen erhoben worden, was bei der erneuten Verhandlung nun nachgeholt werden müsse.

Für den Präsidenten von Scientology Deutschland, Helmuth Blöbaum, ist die Entscheidung „eine klare Aussage, daß wir nicht wirtschaftlich tätig sind“. Die SPD-Sektenexpertin Rennebach äußerte sich enttäuscht. Nun müsse erneut bewiesen werden, daß Scientology ein Wirtschaftsunternehmen sei. Bereits vor einer Woche hatte Scientology in Berlin „gegen religiöse Intoleranz“ demonstriert. Experten bezeichnen Deutschland als eine der wichtigsten Machtbasen des globalen Psychokonzerns. Bernhard Pötter

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