Stadtwerke-Verkauf „finanzpolitischer Blödsinn“

■ Vorstoß von Finanzsenator Perschau stößt auf herbe Kritik / auch BEB-Verkauf strittig

Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) ist mit seinem neuesten Verkaufs-Schlager in ein Wespennest getreten. Er hatte angekündigt, weitere 25 Prozent der Stadtwerke-Anteile verkaufen zu wollen. Daraus will er „300 Millionen Mark plus X“Reingewinn ziehen. SPD-Fraktions-Chef Christian Weber bezeichnete dies als „finanzpolitischen Blödsinn, da sich die Dividende der Stadtwerke in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt hat“. So belief sich der Reingewinn, den Bremen 1996 von den Stadtwerken erhielt, auf 30 Millionen Mark. Ein Verkauf von 25 Prozent des Energieunternehmens würde diese Summe halbieren.

Auch AfB und Grüne kritisierten Perschau. AfB-Fraktionssprecher Andreas Lojewski nannte den angestrebten Erlös von 300 Millionen Mark „illusorisch, da Bremen den Gewinn voll versteuern müßte“. Zudem verweist Grünen-Sprecher Dieter Mützelburg – genauso wie SPD und AfB – darauf, daß Bremen wichtige energiepolitische Kompetenzen aus der Hand gebe.

Auf Empörung stießen die Absichten auch bei den Gewerkschaften DAG und ÖTV sowie bei den Stadtwerke-Betriebsräten. In einer Resolution hieß es: „Die Stadt darf sich nicht aus der sozialen Verantwortung für die Stadtwerke und Bremen insgesamt stehlen.“Bei einer Mehrheitsbeteiligung privater Anteilseigner befürchtet man Gewinn-Maximierung ohne Platz für soziale Interessen.

Aus der Finanzbehörde hieß es dazu, der Aufsichtsrat sei paritätisch mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern besetzt. Solange Bremen also noch 25,1 Prozent der Anteile halte, könne man sich gegen private Anteilseigner zur Wehr setzen. In diesem Zusammenhang erinnerte jedoch SPD-Fraktions-Chef Weber an die gegenteilige Auseinandersetzung um die Stadtwerke-Tochter „Thermokomfort“. Im Interesse der Heizungs-Innung hatte die CDU und allen voran der damalige Wirtschaftssenator Perschau versucht, die Geschäftspolitik der Stadtwerke zu blockieren.

Dazu wollte man sich gestern bei der Finanzbehörde nicht weiter äußern. Die steuerrechtliche Seite eines Verkaufs der Stadtwerke-Anteile habe man aber geprüft, sagte Finanzsprecher Thomas Diehl. Der Reingewinn müsse nicht, wie SPD und Opposition befürchten, voll versteuert werden.

Auch der haushaltspolitische Sprecher der CDU, Wolfgang Schrörs, sieht keine Alternative zu einem Stadtwerke-Verkauf. Er begründete dies mit sinkenden Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich, die Perschau mit 150 Millionen Mark bezifferte.

Diese Mindereinnahmen könnten sich künftig noch weiter erhöhen. So kündigten gestern die ÖTV und der Personalrat der Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB) an, daß die von SPD und CDU geplante Privatisierung gebührenrechtlich unhaltbar sei. Nach einem Urteil aus Nordrhein-Westfalen, „ist die Stadtgemeinde verpflichtet, Verkaufserlöse den Gebührenzahlern gutzuschreiben“, so Jan Kahmann von der ÖTV. Die Grünen erwägen sogar, dagegen zu klagen. Damit hätte Finanzsenator Perschau wieder ein paar hundert Millionen Mark weniger als erwartet in der Kasse. Jens Tittmann