■ Kommentar
: Taschenspielertricks

Wenn es keine guten Nachrichten gibt, dann muß man sie eben selbst produzieren, wird sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen gedacht haben. Das gilt insbesondere, wenn ein CDU-Landesparteitag ansteht, auf dem heftige Kritik am Landesvorsitzenden Diepgen droht. Hauptvorwurf: Diepgen gelingt es in der Großen Koalition nicht, christdemokratisches Profil deutlich zu machen. Alles nicht wahr – soll jedenfalls die Umfrage belegen, die von der Senatskanzlei herausgegeben wurde. Unter den sechs beliebtesten Politikern der Stadt sind fünf CDU-Senatoren zu finden. Besser noch: Die Finanzsenatorin Fugmann-Heesing, die seit zwei Jahren der CDU die Schau stiehlt, landet auf dem letzten Platz. Wie schön, daß auch der neue CDU-Star und mögliche Diepgen-Konkurrent, Innensenator Jörg Schönbohm, ganz hinten auf dem Treppchen landet.

Tatsächlich aber beweist die Emnid-Umfrage aus der Senatskanzlei nur, wie sehr sich Diepgen inzwischen unter Druck fühlt. Werden die von der Senatskanzlei verschwiegenen absoluten Beliebtheitszahlen zugrunde gelegt, ergibt sich nämlich ein anderes Bild. Dann sind drei der vier Spitzenplätze von SPD-Senatorinnen belegt. Und nicht Fugmann-Heesing rangiert auf dem letzten Platz, sondern die CDU-Senatoren Radunski und Pieroth. Wer zu solchen Taschenspieler-Tricks greifen muß, um gute Laune zu verbreiten, offenbart seine Verwundbarkeit. Den unzufriedenen CDU-Delegierten, die bereits Witterung nach einem Nachfolger aufnehmen, wird dies ein Beleg mehr sein, daß der Herbst des Königs begonnen hat. Gerd Nowakowski

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