Mahathir unterdrückt Andersdenkende

■ In Malaysia werden Islamisten nach dem drakonischen Internen Sicherheitsgesetz wegen „abweichender Lehrmeinungen“ verhaftet

Bangkok (taz) – Malaysias Premier Mahathir Mohamad macht mit Kritikern nicht viel Federlesens: Acht Muslime verschwanden in dieser Woche hinter Gittern. Dies ermöglicht das gefürchtete Interne Sicherheitsgesetz (ISA), das der Regierung erlaubt, unliebsame Personen bis zu zwei Jahre lang ohne Gerichtsbeschluß, ohne Anwalt und ohne Kontakt zur Familie festzuhalten. Die Verhafteten, überwiegend Angehörige der schiitischen Minderheit, seien verdächtig, die nationale Sicherheit mit „abweichenden religiösen Lehrmeinungen“ zu gefährden, erklärte Polizeigeneralinspektor Tan Sri Abdul Rahim Noor in der Tageszeitung The Star.

Bürgerrechtler reagierten empört: ISA „ist kein Mittel, mit Religionskonflikten umzugehen“, kommentierte Sharaad Kuttan von der Menschenrechtsorganisation Suaram gegenüber der taz. „Wenn es unterschiedliche religiöse Meinungen gibt“, sagte er, „dann muß man sie in aller Öffentlichkeit diskutieren.“ Verhaftet wurden mehrere ehemalige Politiker islamistischer Parteien. Der älteste ist 80. Einige saßen bereits früher unter dem ISA im Gefängnis.

Die Regierung wolle von politischen Konflikten in den eigenen Reihen und von der aktuellen Wirtschaftskrise ablenken, warf der Vorsitzende der oppositionellen muslimischen Parti Rakyat Malaysia, Syed Hussein Ali, den Verantwortlichen vor. Er fürchtet, dies sei „nur der Anfang einer neuen Unterdrückungswelle“ gegen Kritiker.

Vor zehn Jahren waren mit Hilfe des ISA 102 regierungskritische Politiker und Bürgerrechtler verhaftet worden. Regierungschef Mahathir, der einen gemäßigten Islam vertritt, ist in den letzten Jahren öfter scharf gegen islamistische Gruppen vorgegangen. Dennoch fordern immer mehr Prediger in den Moscheen schärfere islamische Alltagsregeln. Kürzlich verhaftete die Religionspolizei drei Teilnehmerinnen eines Schönheitswettbewerbs, weil sie im Badeanzug aufgetreten waren. Im Bundesstaat Kelantan dürfen Muslime öffentlich keinen Alkohol trinken. Dort müssen in Supermärkten Frauen und Männer an getrennten Kassen bezahlen.

Im Vielvölkerstaat Malaysia leben rund sechzig Prozent ethnische Malaien, überwiegend sunnitische Muslime. Dreißig Prozent sind chinesische Buddhisten, der Rest Hindus, Christen und Animisten. Erst vorgestern hatte die Regierung Wissenschaftlern, die sich mit den Folgen der indonesischen Waldbrände und des Smogs in der Region befassen, einen Maulkorb angelegt. Jutta Lietsch