Panikmacher ein bißchen obenauf

■ Gerüchte über Banken und Eingeständnisse der Regierung in Tokio lösen leichten Kursturz an der Börse aus und verderben das Klima auch in Europa. Der Ausgang bleibt ungewiß

Tokio (AFP/rtr/taz) – „Das war nur der Auftakt für die wirkliche Krise“, warnten Börsenanalysten nach dem erneuten Kurseinbruch an der Tokioter Börse, wo die Kurse am Freitag um 4,2 Prozent auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren absackten. Anscheinend haben sie auf fallende Kurse gesetzt, denn sie versuchten die gefürchtete Baisse der Aktien förmlich herbeizureden: Die Kursstürze der vergangenen Wochen an den anderen asiatischen Börsen seien dabei nur das „Vorspiel“, orakelte Kenneth Courtis von der Deutsche-Bank-Tochter Deutsche Morgan Grenfell.

Für das Absacken der japanischen Aktien gab es gestern zwei Gründe. Gerüchte besagten, daß die Bank of Yokohama ihren umfangreichen Aktienbesitz in den nächsten zwei bis drei Jahren verkaufen will. Sofort schlossen die fixen Börsenhändler, daß andere Banken ebenfalls verkaufen wollen und damit ein Überangebot an Aktien drohe.

Gleichzeitig hat gestern die japanische Regierung endlich eingestanden, daß die Wirtschaft des Landes zum Stillstand gekommen ist. Wochenlang hatte Finanzminister Hiroshi Mitsuzuka beständig bekräftigt, er sehe Nippons Wirtschaft auf dem Weg eines langsamen Aufschwungs mit knapp zwei Prozent Wachstum.

Der für wirtschaftliche Planung zuständige Minister Koji Omi fügte dem Eingeständnis seines Kabinettskollegen jedoch zugleich die Ankündigung hinzu, die von Wirtschaftsvertretern geforderte Steuersenkung sei nicht zu erwarten. Angesichts ihrer hohen Schuldenlast hatte die Regierung vielmehr erst im April eine drastische Anhebung der Mehrwertsteuer verfügt und damit der Binnenkonjunktur einen Dämpfer verpaßt.

Für die ohnehin angeschlagene japanische Wirtschaft hat die Krise in Südostasien „Auswirkungen wie eine Ölkrise“, so Analyst Courtis. Rund 60 Prozent des japanischen Wirtschaftswachstums hängen am Export, von dem wiederum 45 Prozent in asiatische Länder gehen. Viel schlimmer trifft es die Banken, die Immobilienkredite in Höhe von 150 Milliarden Dollar an die Nachbarstaaten vergeben haben und davon wohl einen Großteil abschreiben müssen.

Der Dax ging unter dem Eindruck von Tokio gestern 124 Punkte mit nach unten und schloß in Frankfurt mit 3.700 Punkten. Doch haben die US-Amerikaner und die Briten derzeit ganz andere Probleme: Ihre Wirtschaft droht zu gut zu laufen, die Konjunktur könnte sich überhitzen. Angesichts solch gegensätzlicher Entwicklungen in Asien, Europa und den USA wird die Börse wohl noch eine Weile unschlüssig hin und her schwanken. rem