Die Welt steht manchmal auf dem Kopf

■ Ganz Deutschland lacht über Mercedes

Spiegel, Stern, Focus und als letzte, wie immer, die Zeit: Alle freuen sich über den Elch-Test und den Kopfüber-Baby-Mercedes, über das Desaster der A-Klasse. Eine Republik lacht. Und Stuttgart-Untertürkheim läßt den Rolladen runter.

Die Häme gilt einer Firma, die als Edelschmiede unter deutschen Autobauern, für den dicken Geldbeutel, für Arroganz, Prestige und arrivierte Lackaffen steht. Zigarre, Ellbogen, den Daimler vor der schmiedeeisernen Haustüre: Fertig ist das deutsche Karrieremännchen — blond, häßlich und devisenstark. Nach dem GAU in Schweden kriegt jetzt ausgerechnet der kleinste Mercedes, der je gebaut wurde, all das übergebraten, was eigentlich der Marke Mercedes gebührt. Denn wir wissen ja: Die Gattung der Mercedes-Fahrer drängelt, sie ist aggressiv, hat immer Vorfahrt und eine große Klappe. Noch heute weigern sich aufrechte Menschen, die zu viel Geld gekommen sind, den Dicken mit dem Stern zu fahren. Dann doch lieber BMW wie dazumal Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß.

Endlich, endlich dürfen wir die Mercedes-Leute nach Herzenslust prügeln. Verdient haben sie es allemal. Natürlich freuen auch wir uns, seien wir ehrlich. Die Schadenfreude kommt von ganz innen. Aber dabei sollte nicht vergessen werden: Der Kleine war immerhin der erste Versuch der Stuttgarter, ihre tonnenschwere Panzer- und Dinosaurier-Linie zu verlassen. Es war das erste halbwegs vernünftige Auto, das bei Mercedes in den letzten 20 Jahren vom Band lief. Die A-Klasse zeigt einige erstaunliche Features: Sie ist einigermaßen recycel- und entsorgungsfreundlich, hat einen höheren Naturstoffanteil, ist weniger mit problematischen Kunststoffmischungen belastet. Und sie wird im nächsten Jahr mit dem Dieseldirekteinspritzer das verbrauchsärmste Fahrzeug weltweit sein. Das ist noch nicht die Ökorevolution. Aber wenigstens ein Schritt. Daß ausgerechnet der in die Hose ging, hat trotz des Unterhaltungswerts sich überschlagender Sterne-Automobile auch einen leisen Akzent des Bedauerns.

Dieselbe Kritik derselben Journalisten hätte man sich im vergangenen Jahr gewünscht, als die schadstoffkillende Top- Klimaanlage der S-Klasse vorgestellt wurde. O-Ton Prospekt: „Bei geöffnetem Fenster kommt die gereinigte Luft auch der Umwelt zugute.“ Die Welt steht kopf. Wie im gekippten Baby-Benz. Manfred Kriener