Gefrorene Klänge

■ Kammerphilarmoniestreicher begeistern

Heinz Holliger und Wolfgang Rihm haben sich kompositorisch mehrfach mit Vergangenheit auseinandergesetzt. So lag es nahe, zu Franz Schuberts 200jährigem Todestag Rihms von Schubert inspirierte Kompositionen vorzustellen. Das ist einmal „Ländler“in der Fassung für dreizehn Streicher (1979): Musik am Rande des Verstummens, Musik, die zerbröselt wie hinter Milchglasscheiben. Rihm wollte das Stück „wie auf einem Riesenstreichinstrument“erklingen lassen, und das ist den Streichern der Bremer Kammerphilharmonie unter der Leitung von Thomas Klug unter die Haut gehend gelungen. Das zweite Rihmstück war da schon vordergründiger und deftiger. Grell und insistierend wirken die zahlreichen Schubert-Zitate in „Erscheinung, Skizze über Schubert“(1978) für neun Streicher. Ein „Quizstück“, meinte ein Zuhörer, worüber Rihms interessanter strukturanalytischer Umgang mit dem Material nicht ganz hinwegtäuschen konnte.

Auch Heinz Holligers „Eisblumen“für sieben Streicher sind „Übermalungen“, und zwar des Bach-Chorals „Komm, o Tod, du Schlafes Bruder“. Nur Flageolettklänge frieren gleichsam die Bachsche Harmonik ein. Das ungemein filigrane Klanggewebe läßt nur assoziative Erinnerungen zu. Und am Schluß des Konzertes ein Frühwerk des romantischen Genies Felix Mendelssohn Bartholdy: die Sinfonie Nr. 9 des vierzehnjährigen Komponisten. Da explodieren die Einfälle, die grenzenlos scheinen wie im langsamen Satz, in dem einer Einleitung von vier Geigen das „trio basso“, die Weiterführung durch Bratsche, Cello und Kontrabaß gegenübergestellt wird. Viel Beifall für eine wunderbare Interpretationen, deren Urheber Klug im Programm ruhig hätte genannt werden dürfen.

Ute Schalz-Laurenze