Metropolenmodell Europa-Schule

■ Nach fünf Jahren ziehen PädagogInnen erstmals Bilanz: Keine Elitebildung, aber auch noch keine Konzeptübertragung auf Regelschulen möglich. Dringender Bedarf für polnischen Zweig

Als 1992 die ersten zwölf Vorklassen eingerichtet wurden, befürchteten Pädagogen, daß das Modellprojekt Europa-Schule zu einer elitären Angelegenheit werden könne: Zu wenige Kinder, so die damalige Kritik, würden die Chance bekommen, nicht nur deutsch, sondern auch eine andere Sprache „naturwüchsig“ – und nicht als Fremdsprache – zu lernen. Heute gibt es immerhin schon zwölf Schulen, die rund 2.000 SchülerInnen konsequent in zwei Sprachen erziehen. Neben französischen, englischen, russischen, spanischen, italienischen und türkischen ist in diesem Schuljahr sogar ein griechischer und portugiesischer Zweig eingerichtet worden. Auf einer Tagung am Wochenende tauschten sich rund 150 PädagogInnen und ForscherInnen nach fünf Jahren Praxis erstmals umfassend über das Schulkonzept aus. Die Europa-Schule sei, so Tagungs-Initiator Michael Göhlich, der am Institut für Erziehungswissenschaften der TU über Schulprojekte forscht, eine „sehr gute Grundlage für interkulturelle Akzeptanz“, weil die Kinder tatsächlich gleichwertig zwei Sprachen erlernten. Doch die Schulen könnten nur dann funktionieren, wenn nicht nur der Unterricht, sondern auch die Nachmittagsbetreuung zweisprachig erfolge. Einige Europa-Schulen hätten jetzt bereits das Problem, daß sie Überhangkräfte aus dem Ostteil der Stadt bekämen, für ihr Konzept eigentlich aber fremdsprachige ErzieherInnen bräuchten.

Für Wilfried Stotzka, Lehrer an der deutsch-spanischen Europa- Schule, ist das Schulkonzept erfolgreich, aber lediglich ein „Metropolenmodell“: „Auf dem Land kann man so etwas nicht machen.“ Wichtig sei, daß wenn die SchülerInnen im nächsten Jahr in Europa-Oberschulen entlassen würden, die Möglichkeit bestehe, alle Abschlüsse und nicht nur das Abitur machen zu können. Sonst bestehe tatsächlich die Gefahr einer „Elite- Schule“.

Doch trotz fünf Jahren Praxis gibt es noch keine weitreichenden Ideen, wie das Modell auch auf Regelschulen übertragen werden kann. „Wir haben kein Konzept“, räumt Wilfried Stotzka ein. Michael Göhlich glaubt, daß mindestens ein sechsjähriger Europa- Grundschulzug durchlaufen und ausgewertet werden müßte, um deren Praxis auf „normale“ Schulen anzuwenden: „Ein Schnellschuß wäre nicht sinnvoll.“

Diter Witt von der Senatsschulverwaltung geht davon aus, daß der Bedarf nach weiteren Europa- Schulen durchaus vorhanden ist. So sei laut Witt vielfach der Wunsch von deutschen Eltern geäußert worden, eine englisch-deutsche Schule in Hellersdorf oder Marzahn zu errichten. Problematisch sei vielmehr die andere Seite: Englische Eltern seien „relativ unbeweglich“ und wollten ihren Kindern keinen langen Schulweg zumuten, hat Witt erfahren. Bedarf sieht Witt auch für einen polnischen Zweig. Doch hätte es bisher keine Verhandlungen mit der polnischen Regierung gegeben. Hintergrund ist die prekäre finanzielle Lage. Weil in Berlin keine neuen LehrerInnen eingestellt werden dürfen, müßte die polnische Regierung möglicherweise ihre Lehrkräfte selbst bezahlen. Bei den griechischen und portugiesischen Europa-Schulen haben die jeweiligen Regierungen bereits diese Kosten übernommen. Julia Naumann