Die CDU-Basis pfeift auf Führungsstärke

■ Nur knapp konnte die CDU-Führung auf dem Parteitag ihren Leitantrag zur Bezirksgebietsreform durchbringen. Diepgen schlidderte an einer Niederlage vorbei, und auch Innensenator Schönbohms Strafpredi

Der General hat den ChristdemokratInnen am Samstag ordentlich den Pelz gewaschen: keine nebulösen Platzhalter, keine versteckten Appelle an die Moral der Union – Innensenator Jörg Schönbohm hat auf dem CDU-Parteitag Tacheles geredet und sich vorbehaltlos für die Reduzierung der Bezirke auf 12 im Jahr 1999 – und ebenso für den Regierenden Bürgermeister – eingesetzt. Allein es hat nichts genützt.

„Die Berliner CDU fordert gerne und häufig Führungsstärke ein. Der Senat und die Parteiführung haben in der Frage der Bezirksreform unter Verantwortung des Regierenden Bürgermeisters in der Tat Führung übernommen. Nun muß die CDU beweisen, daß sie Führung nicht nur reklamiert, sondern auch akzeptiert“, diktierte Schönbohm den Delegierten ins Stammhirn. Für seine zornige Rede schenkten die erleichterten BefürworterInnen der Bezirksgebietsreform dem Senator dröhnenden Applaus. Für Standing ovations reichte die Kraft allerdings nicht. Zu demonstrativ blieb die rechte Seite im Saal, vor allem dort, wo PankowerInnen und KreuzbergerInnen Platz genommen hatten, stumm auf ihren Stühlen kleben.

Die Parteibasis wollte von Führung nichts wissen. Während Landesvorsitzender Diepgen sonst stets für seine „Führungsschwäche“ gegeißelt wird, votierten seine Widersacher mit dem „Führungsschwäche-Argument“ gegen den schon vom eigentlichen Ziel abgerückten Leitantrag des Vorstandes, die Bezirke um „mindestens ein Drittel“ zu reduzieren. Den Bezirksvorsitzenden Dieter Hapel (Tempelhof), Ingo Schmitt (Charlottenburg) und Martin Federlein (Pankow) hätte auch eine Reduzierung auf 18 Bezirke gereicht. Nur das Abstimmungsergebnis reichte nicht. Etwas mehr als die Hälfte lehnte den Hapel- Schmitt-Antrag ab. Dabei verliefen die Fronten quer zu den bekannten Pro- und Contra-Diepgen-Lagern.

Der Regierende, der sich als Landesvorsitzender nicht in der Position sah, deutlich Farbe bekennen zu können, enthielt sich fast gänzlich des Wortes zur Bezirksreform. Gestützt vom Bonner Fraktionschef Wolfgang Schäuble, vermied er das Wort Bezirksreform und belehrte seine Basis ganz allgemein über die Reformfähigkeit der Partei. Im Wissen um die Prioritäten der ChristdemokratInnen der Stadt mahnte er im Blick auf die gebeutelte Hertha: „Wer nicht kämpft und siegt, steigt ab.“ Für diesen wegweisenden Satz bekam Diepgen sogleich die Quittung: Dieter Hapel dankte dem Innensenator für „seine kämpferische Rede“, die „die Sehnsucht nach Führung“ erfülle, auch wenn er eine andere Position habe. Wie ein Abgesang auf Diepgen klang auch der Kommentar von Fraktionsgeschäftsführer Volker Liepelt, der als Tagungsleiter dem Regierenden für dessen „gute Rede“ dankte und sagte: „Wir wissen, daß du dich bis an die Grenze der Belastbarkeit für Berlin engagierst.“

Abermals bewies die CDU-Parteitagsregie Fingerspitzengefühl – wie es der Zufall wollte, trat Fraktionschef Klaus Landowsky als letzter Redner vor der entscheidenden Abstimmung in die Bütt, um den Parteifreunden noch was mit auf den Weg zu geben: „Lieber holprig regiert, als fröhlich opponiert“, warnte der starke Mann der Union die Basis. Denn wenn es keine Entscheidung zur Bezirksreform gibt, entfällt auch die derzeit gültige Besetzung der Bezirksämter. Künftig würden diese dann nicht wie jetzt nach Parteistärke besetzt, sondern wie andere Parlamente nach Mehrheitswahl. „Dann haben wir hier nichts mehr zu lachen“, so Landowsky.

Unterdessen hat die SPD die CDU scharf kritisiert. Als Verhandlungspartner und Regierungschef sei Diepgen nicht mehr ernst zu nehmen, sagte SPD-Vorsitzender Detlef Dzembritzki. Die SPD bleibe bei dem Senatsbeschluß, 1999 12 Bezirke zu schaffen. Sie hatte bereits angekündigt notfalls eigene Mehrheiten im Parlament zu suchen. Barbara Junge

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