piwik no script img

Der Star „kann was“ – bloß sprinten nicht

■ Der Straßenfahrer Bjarne Riis kämpft in München mit den Tücken des Sechstage-Geschäfts

München (taz) – Mitternacht war gerade vorbei, als die Party beim Sechstagerennen in der Münchener Olympiahalle ihren Höhepunkt erreichte. Ein donnerndes Musikgewitter brach herein, heiße Rhythmen erfüllten die rauchige Luft. Auf der Bühne verrenkten sich fröhlich zwei sommerlich bekleidete Frauen, und die Menge zappelte ausgelassen, während Bjarne Riis sich schwer auf einen Stuhl sinken ließ.

Er lachte, er scherzte mit seinem dänischen Landsmann Jimmi Madsen. Der Tour-de-France-Sieger von 1996 war guter Laune, aber eben auch müde, sehr müde, nachdem er bei der einstündigen Jagd der dritten Nacht mit seinem italienischen Partner Silvio Martinello gerade vergeblich versucht hatte, in der Nullrunde zu bleiben. Deshalb: Keine Fragen jetzt, bitte.

Arno Hartung, Pressesprecher des Veranstalters Olympiapark München GmbH (OMG), hob entschuldigend die Schultern: „Riis ist ein bißchen platt.“

Sechstagerennen sind Showbewerbe, wer hier nicht siegt, muß sich nicht grämen. Selbst üppige Rundenverluste müssen dem Ruf nicht schaden. Auf Formschwankungen läßt sich vieles schieben, und beim nächsten Sechstagerennen kommt die nächste Chance, sich zu rehabilitieren. Sechstagerennen sind nicht Riis' angestammtes Betätigungsfeld. Sieben erst ist er gefahren, allein in seiner Heimat Herning hat er sich regelmäßig für Rundenjagden in den Sattel geschwungen. In München fährt er zum ersten Mal – der Dienst hier bedeutet für ihn den Saisonabschluß. Gerade deswegen richtet sich jetzt die meiste Aufmerksamkeit auf ihn. Jeder, der das Münchener Sechstagerennen 1997 beobachtet, fragt sich: Wie macht sich der große Riis auf der Bahn?

Riis ist der erklärte Star der Veranstaltung und für Rennleiter Sigi Renz nicht weniger als ihr Retter. Weil der Spitzensprinter Erik Zabel seine Teilnahme quittiert hatte, konnte Renz der kritischen Presse bis wenige Wochen vor dem Start keinen Straßenradler von Weltrang vorstellen. Erst auf Vermittlung des Italieners Giovanni Lombardi, Riis' Kollege bei Telekom und Münchener Sixday-Sieger von 1996, kam die Verpflichtung des berühmten Dänen zustande. „Jetzt“, jubelte Renz, „brauchen die Medien keinen Sturz, um etwas zu schreiben.“

Vor allem hätten sie etwas zu schreiben gehabt, wenn Riis im Wettstreit mit den besten Bahnprofis nicht hätte mithalten können. Das will Riis verhindern, wohl wissend, daß es in der Vergangenheit schon einige Tour-Sieger gegeben hat, die bei den Show-Rennen auf der Bahn böse überrundet wurden. Deshalb hat er seit seiner Ankunft am Montag abend, jeden Tag auf der Bahn trainiert. Deshalb bestand er darauf, mit dem starken Martinello, Olympiasieger im Punktefahren, antreten zu dürfen. Sehr zum Unmut des Italieners Marco Villa, des angestammten Martinello-Partners, der mit dem Belgier Etienne de Wilde vorlieb nehmen mußte.

Jedenfalls hat es sich gelohnt. Man ist des Lobes voll über Riis. Auf Rang vier waren Martinello/ Riis nach drei Nächten plaziert, einer Runde hinter den Branchenführern Madsen/Veggerby und Risi/Betschart.

Telekom-Kollege Udo Bölts, der in München den Startschuß gab, fand erstaunlich, „daß er sich bei seiner Übersetzung so schnell bewegen kann“, und erklärte: „Der Bjarne kann was.“ Der Schweizer Bahnspezialist Bruno Risi ist von Riis „positiv überrascht“. Auch Martinello ist zufrieden: „Bjarne ist ein guter Fahrer und mit guter Kondition hierhergekommen.“

Aber ob es zum Gesamtsieg reicht? Da hat sogar Martinello seine Zweifel. „Unter die ersten vier“ sieht er sich und Riis im Endklassement. Für einen Sieg mangelt es Riis an Sprintstärke. Ein bißchen traurig ist Martinello deshalb schon, daß es für seinen prominenten Freund Riis den schnellen Landsmann Villa verlassen mußte. „Mit Villa“, sagt Martinello, „hätte ich bessere Chancen gehabt.“ Thomas Hahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen