: Eine mythische Figur
■ Nach seinem K.o.-Sieg gegen Moorer fehlt Doppel-Weltmeister Evander Holyfield nur noch der WBC-Titel des Briten Lennox Lewis
Berlin (taz) – Als WBA-Weltmeister Evander Holyfield am Samstag in Las Vegas durch einen technischen K.o.-Sieg in der 8. Runde über Michael Moorer auch den IBF-Titel gewonnen hatte, ging ein Aufatmen durch die Boxszene. Nachdem sich Mike Tyson vorläufig aus dem Geschäft gebissen hat, Riddick Bowe nicht mehr boxen mag, George Foreman langsam alt wird und die letzten Titelverteidigungen des Briten Lennox Lewis meist zu Lachnummern gerieten, ist Holyfield der Fels, auf dem das Schwergewichtsboxen ruht. „Er ist jetzt eine mythische Figur“, sagt Promoter Dino Duva.
Mittlerweile 35 Jahre alt, scheint Holyfield immer stärker zu werden. „Meine besten Tage sind diese letzten Tage“, sagt der gottesfürchtige Boxer, der bei einer Massenpredigt einige Tage vor dem Kampf mehr Zuschauer anlockte als jene 10.000, die seinen Triumph gegen Moorer sahen. Auf 75 Millionen Dollar wird sein Vermögen geschätzt, in Atlanta besitzt er eine luxuriöse Villa, und sein Beruf macht ihm mehr Spaß denn je. „Es geht um mehr als um Geld. Ich genieße es. Ich liebe es, dies zu tun.“ Holyfield hat nun alles geschlagen, was im Schwergewichtsboxen Rang und Namen besitzt – außer Lennox Lewis. Logisch, daß ein Kampf gegen den Champion der WBC seine nächste Option ist: „Wenn Don King etwas mit Lewis aushandeln kann, bin ich dabei.“
Vor drei Jahren hatte Holyfield seinen WBA-Titel gegen Moorer verloren, der dann sieben Monate später von George Foreman ausgeknockt wurde. Den IBF-Titel holte sich Moorer mit einem unspektakulären Auftritt gegen Axel Schulz. Der fast 30jährige gilt als eine Art amerikanischer Henry Maske, der immer nur das Nötigste tut, und ein Sieg des nüchternen Moorers gegen den Mann, den sie „The Real Deal“ nennen, wäre für das Boxgeschäft ein Desaster gewesen. Die Wertschätzung, welche beide Boxer genießen, zeigt schon allein die Börse, die sie am Samstag erhielten: Holyfield bekam 20 Millionen Dollar, Moorer fünf Millionen.
„Ich bin viel besser als beim letzten Mal“, hatte Holyfield, damals durch eine in der zweiten Runde erlittene Schulterverletzung gehandicapt, zuvor gesagt, und von der fünften Runde des aktionsreichen Kampfes an zeigte er das auch. Er deckte seinen Gegner mit einem wahren Schlaghagel ein, fünfmal ging Moorer zu Boden. Als dieser nach der achten Runde apathisch auf seinem Schemel saß, begutachtete ihn der Ringarzt und empfahl dem Referee, den Kampf abzubrechen.
Lennox Lewis war Augenzeuge des Fights und zeigte sich wenig beeindruckt. Holyfields Vorstellung sei „mittelmäßig“ gewesen, sagte der Engländer, „sie sind mir beide nicht gewachsen“. Wenn es nach Evander Holyfield geht, bekommt er im nächsten Jahr Gelegenheit, dies zu beweisen. „Ich freue mich darauf, der unbestrittene Weltmeister zu sein“, sagte Holyfield, läßt aber erkennen, daß seine Herrschaft wohl kaum von Dauer sein würde. „Ich weiß, daß meine Jahre begrenzt sind. Ich würde gern den Titel vereinigen, dann trete ich vielleicht zurück.“ Das täte er besser gleich, meint Emmanuel Steward. „Er sollte mit dem Boxen aufhören, solange er auf dem Gipfel der Welt ist“, empfiehlt der Trainer von Lennox Lewis, doch davon will Hoyfield nichts wissen: „Wenn ich auf die Meinung der Leute gehört hätte, wäre ich nie zurückgekommen, um Tyson zu schlagen.“
Es sieht also tatsächlich danach aus, als sollte wieder die Zeit eines einzigen Schwergewichtschampions, Lewis oder Holyfield, anbrechen. Von Dauer wird dies allerdings kaum sein, denn es ist nicht zu erwarten, daß die drei Verbände lange an einem Strang ziehen. Spätestens nach dem Holyfield-Rücktritt wäre neuer Unübersichtlichkeit Tür und Tor geöffnet und die altbekannten Kandidaten würden darangehen, die Beute unter sich aufzuteilen: Lewis, Moorer, Tyson, Foreman und, nicht zu vergessen, Axel Schulz. Matti
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