Das Portrait
: Thailands Unbestechlicher

■ Chuan Leekpai

Chuan Leekpais politische Gegner fürchten seine schneidende Höflichkeit: Statt einer Zunge habe der thailändische Politiker eine „honigbeschichtete Rasierklinge“, heißt es in Bangkok.

Als Oppositionsführer hatte er ausgiebig Gelegenheit, die beiden seit 1995 amtierenden Regierungen scharf zu kritisieren. Denn in dieser Zeit jagte ein Skandal den nächsten: Mal verteilte ein Erziehungsminister Umschläge mit Schmiergeldern an Parlamentarier, damit sie für seinen Gesetzentwurf zur Ausrüstung aller Schulen mit Computern stimmten – woran der Minister offenkundig enorm verdient hätte. Mal hob ein Innenminister die Gewichtsgrenzen für Lastwagen auf, weil die Bestechungsgelder an die Polizei zu teuer wurden – zufällig besaß er selbst einen riesigen Fuhrpark.

Letzte Woche mußte schließlich Premier Chavalith Yongchaiyudh zurücktreten wegen seiner Unfähigkeit, die Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen. Oppositionsführer Chuan Leekpai, der bei den letzten Wahlen im November 1996 um Haaresbreite verloren hatte, konnte nun die neue Regierung bilden. Gestern unterzeichnete König Bhumipol seine Ernennung zum Premierminister.

Der 59jährige Chuan stand bereits von 1992 bis 1995 an der Spitze der Regierung. Er selbst gilt als unbestechlich, doch sein Kabinett stürzte über einen Korruptionsskandal. Der Sohn einer Händlerin und eines Lehrers stammt aus dem Süden Thailands. Seine „Demokratische Partei“, der er seit 1969 angehört, steht der städtischen Mittelschicht nahe. Er hat einen Sohn, ist verheiratet und für seinen relativ schlichten Lebensstil bekannt.

Chuan, der zunächst Kunst studierte und dann Rechtsanwalt wurde, zog seit 1969 insgesamt zehn Mal in das Parlament ein. Er war mehrfach Minister, wurde 1990 Parteichef der Demokraten. Viele sehen in ihm den Vertreter einer neuen Generation von Politikern, die sich weniger auf die Macht des Militärs und einflußreicher „Paten“ stützen wollen als bisher. Seine ökonomischen Berater genießen bei Geschäftsleuten einen guten Ruf als „fähige Technokraten“. Um jetzt seine Regierung bilden zu können, muß Chuan allerdings mit einflußreichen Vertretern der alten Garde zusammenarbeiten. Die haben schon ihre Ansprüche auf einflußreiche Ministerposten angemeldet. Jutta Lietsch