Kohl-Kinder mucken auf

Ein eindeutiges Wahlprogramm statt Koalitionsvereinbarungen fordert das Grün-Alternative Jugendbündnis  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Der Berliner Jason Krüger kommt sich schon ziemlich alt vor. Dabei hat er erst vor kurzem seinen 20. Geburtstag gefeiert. Beim 9. Bundeskongreß des „Grün-Alternativen Jugendbündnisses“ (GAJB) in Nürnberg sind aber die meisten um ihn herum zwei oder drei Jahre jünger. Zusammen mit ihnen will Jason Krüger den „Altgrünen Dampf machen“, daß sie die Jugend ernstnehmen und in den anstehenden Bundestagswahlkampf mit einem „klaren Programm und nicht mit einer vorweggenommenen Koalitionsvereinbarung“ gehen.

Jasons Kritik zielt auf Joschka Fischer, der den außen- und verteidigungspolitischen Teil des Programmentwurfs als nicht „regierungsfähig“ ablehnt. Eine überwiegende Mehrheit der rund 200 beim Bundeskongreß des grünnahen Jugendverbandes Versammelten findet es schlichtweg „albern“, das Wahlprogramm „von vorneherein koalitionsgerecht zimmern“ zu wollen.

Dies zeigt auch der lang anhaltende Beifall für Fischers Kontrahenten, den bündnisgrünen Vorstandssprecher Jürgen Trittin. In seinem Grußwort beschwört er seine Partei, nicht von bisherigen Konsensbeschlüssen wie der Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht oder nach Einführung der Ökosteuer abzurücken. „Das ist doch behämmert und munitioniert nur unsere Gegner“, betont Vorstandssprecher Trittin.

Für ein Grußwort seien Trittins Ausführungen wohl etwas zu lang geraten, kritisieren einige Junggrüne und beweisen damit, wie respektlos sie sich altgrünen „Autoritäten“ gegenüber verhalten können.

Überhaupt fühlen sie sich sichtlich wohl darin, daß der inzwischen auf 5.000 Mitglieder angewachsene GAJB ganz im Gegensatz zu den Jusos kein Parteijugendverband ist. Man versteht sich als „Zusammenschluß von grün(nah)en, alternativen, linken Jugendlichen“ und nicht als Anhängsel oder Kaderschmiede einer etablierten Partei. „Leute, die Karriere machen wollen, sind bei uns die absolute Minderheit“, ist denn auch für Jason Krüger wichtig. Er hatte sich zuvor bei Umweltschutzgruppen engagiert und mal bei den Jusos reingeschaut, fand aber „alles nicht so spannend“. Erst beim GAJB fühlte er sich wohl: „Das war mein Alter. Die hatten meine Sprache.“ Ein Bundeskongreß mit Frauenstammtisch, Männerkränzchen und Bad Taste Party wie in Nürnberg, das bringt ihm Spaß. Bei den Altgrünen fühlt er sich aber nur „zu einem gewissen Grad ernstgenommen“. Daß sie derzeit dabei seien, „zu einer angepaßten Partei abzudriften“, bereitet ihm große Sorge. Mit dem GAJB will er nun „gegen eingefahrene Strukturen insbesondere beim Bündnis 90/Die Grünen“ kämpfen.

Daß es die bei den Grünen gibt, weiß Heike Opitz aus eigener Erfahrung als GAJB-Bundesvorstandssprecherin. Entnervt von den ständigen Querelen mit den Altgrünen und den Studienabschluß vor Augen verzichtete die 22jährige Jurastudentin aus Hamburg auf eine erneute Kandidatur. „Die Grünen wollen Jugendpolitik zum Querschnittsthema im Wahlkampf machen, aber keiner bezieht uns mit ein“, lautet ihre Kritik. Man bediene stets nur die eigenen Klientel, deshalb stünde auch im Programmentwurf viel über Hochschulen, aber wenig über Kinder- und Jugendhilfe oder berufliche Ausbildung.

Besonders die Kapitelüberschrift „Freche Mädchen braucht das Land“ stößt ihr im Entwurf auf. „Sind wir alle Girlies, oder was?“ fragt sie sich und ist enttäuscht darüber, daß gerade diese Programmabschnitte „nur von Frauen über 30“ ausgeheckt worden seien.

Daß sich so wenig Jugendliche für Politik begeistern, führt Heike Opitz auf Kohls Kanzlerschaft zurück. „Wir sind doch alle Kohl- Kinder.“ Er sei für ihre Generation zum „Synonym für Bundeskanzler“ geworden. Wer aber nie mitbekommen habe, daß sich auch etwas verändern lasse, der werde eben „lethargisch“. Deshalb setzen die GAJBler auch auf einen rot- grünen Wahlsieg.

Als Helmut Kohl das Regierungsamt übernahm, war Anna Lührmann aus Kassel noch nicht geboren. Die 14jährige Neuntkläßlerin ist seit einem Jahr im GAJB aktiv und versteht Politik in erster Linie als Dialog und Diskussion. Gerade da liege aber „bei den Grünen vieles im argen“. Aus diesem Grund will sich auch die 17jährige Dorothea Weiß aus Wittenförden bei Schwerin aus „allem Altgrünen strikt heraushalten“. Am GAJB findet sie „klasse“, daß man dort auch mal mit der Jungen Union ein Seminar veranstalten könne, wobei zwar die Fetzen flögen, aber trotzdem „konstruktiv diskutiert“ werde.

Um ihren Einfluß bei den Altgrünen zu vergrößern, beschloß der GAJB-Bundeskongreß, sein Gastrecht im Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen endlich wahrzunehmen. Sie wollen sich für den Bereich Bildungspolitik im Wahlprogramm stark machen. Forderungen nach einer größeren Schulautonomie und einer Ausbildungsabgabe sollen darin enthalten sein.

Daß zumindest letzteres mit Gerhard Schröder nicht zu machen ist, weiß auch Jason Krüger. Der Ministerpräsident von Niederschachsen ist dem jungen Mann ein „Grauen“. Und Parteichef Oskar Lafontaine? „Dem trau' ich auch nicht „über den Weg.“